Königskind
schaute zur Decke.
Aber dieser Rückzug, den Allory wahrscheinlich für Ausflucht hielt, hatte die gegenteilige Wirkung. Er legte die Hände auf
seine Schenkel und kehrte mir sein hochrotes Gesicht mit zornsprühenden Augen zu.
»Monsieur«, sagte er leise, aber wütend, »wenn Ihr, wie ich vermute, hier seid, meine Pläne zu durchkreuzen, dann laßt Euch
gesagt sein: noch mit dem Kopf auf dem Richtblock stehe ich davon nicht ab. Die fünf Pachten sind mir im Königlichen Rat nach
öffentlicher Versteigerung zugeschlagen worden. Das ging alles mit rechten Dingen zu. Ich habe diese fünf Pachten auf acht
Jahre für achthundertsechsundneunzigtausend Livres gekauft, und wer versuchen sollte, mich um meine Pachten zu bringen, dem
jage ich eine Pistolenkugel in den Kopf.«
»Monsieur«, sagte ich verblüfft, »ich weiß nicht, wovon Ihr redet.«
»Larifari!« zischte er wütend. »Ihr denkt wohl, Ihr könnt mich hochnehmen? Wollt Ihr mir weismachen, Ihr hättet noch nie was
von Pierre de La Sablière gehört?«
»In der Tat, nein.«
»Oder von dem Schuft Giovannini?« Den Namen sprach er nur flüsternd aus.
»Auch nicht.«
»Und wollt nichts davon wissen, daß der erste nur der Strohmann des zweiten ist, weil Sully verboten hat, Pachten an Ausländer
zu vergeben?«
»Monsieur«, sagte ich mit äußerster Kühle, »ich bin der Chevalier de Siorac, Erster Kammerherr des Königs. Ich habe keine
Ahnung von alledem, womit Ihr mir in den Ohren liegt. Ich kenne weder La Sablière noch Giovannini, weiß nicht, daß der erste
der Strohmann des zweiten ist, und verstehe nicht, um welche Zwistigkeiten es bei diesen fünf Pachten geht.«
|109| »Monsieur, wenn ich mir erlauben darf, Ihre Erzählung zu unterbrechen: auch ich verstehe kein bißchen.«
»Sie, schöne Leserin?«
»Was ist mit diesen fünf Pachthöfen, Monsieur? Warum sind sie so teuer, und weshalb mußten sie nach einer Versteigerung für
eine fabelhafte Summe diesem Lumpen vom Königlichen Rat im Beisein des Königs zugesprochen werden?«
»Dieser Allory, Madame, ist kein Lump, sondern ein Finanzier. Die Pachten sind keine Pachthöfe auf dem Land, sondern Steuerpachten,
die der König diesem Finanzier (oder anderen) zu einem tatsächlich sehr hohen Preis
abtritt
mit der Maßgabe, sich diese Summe durch die Steuern wieder hereinzuholen, die er bei dem armen Volk eintreiben darf.«
»Welchen Vorteil bringt das dem König?«
»Er kommt schneller an die Gelder und spart sich selbst die Plackerei der Steuereintreibung.«
»Und der Pächter?«
»Madame, verstehen Sie nicht? Können Sie sich nicht vorstellen, was ein Geldmann tut, wenn er das alleinige Privileg besitzt,
an Stelle des Königs Steuern zu erheben?«
»Monsieur, ich weiß Ihnen Dank, daß Sie mein Wissen über das System der Steuerpachten aufgefrischt haben. Fahren Sie bitte
fort.«
Als ich mich mit Namen, Titel und Amt vorstellte (nicht ohne einen gewissen Hochmut), wurde Allorys rotes Gesicht blaß, er
schoß in die Höhe, drückte seinen Hut ans Herz und schwenkte ihn bis zum Fußboden, ohne Rücksicht auf den Federbusch, der
mindestens tausend Ecus gekostet haben mochte.
»Herr Chevalier«, sagte er, »ich bitte millionenmal um Entschuldigung.«
Hierauf setzte er sich, suchte sich zu sammeln und fuhr fort: »Monsieur, seid Ihr der Siorac, welcher der Patensohn von Madame
de Guise ist?«
»Der bin ich in der Tat.«
»Monsieur«, sagte er, »ich bitte abermals um Vergebung.« Und nach kurzem erklärte er: »Ich bin um so untröstlicher, Monsieur,
Euch für einen Vertrauten dieses teuflischen Florentiners gehalten zu haben, weil ich ein guter Freund des ältesten Sohnes
Eurer Frau Patin bin. Und nur dank Herzog Charles habe ich mich auch der Königin vorstellen dürfen, die mir |110| sagte, ich solle ›diese Sache‹ mit der Marquise von Ancre regeln.«
Eine Weile beobachtete ich ihn nun schweigend, und da die Logik mich trieb, konnte ich mich nicht entschlagen, ihm quasi ins
Ohr zu raunen: »Wenn Euer Widersacher ein Florentiner ist, glaubt Ihr dann nicht, daß die Macht, Euch die Wolle vom Leibe
zu scheren, ihm hier verliehen worden ist?«
Allory sah mich an, als hätte ich in seinem Beisein Amerika noch einmal entdeckt.
»Selbstverständlich!« sagte er und hob die Brauen.
»Klopft Ihr dann hier an die richtige Tür?«
»Was bleibt mir weiter übrig? Eine andere gibt es nicht!«
Während ich über diese Antwort nachsann und sie leider nur
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