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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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mit den Ämtern und vor allem mit Ämtern der Gerichtsbarkeit
     betrieben wurde. »Denn«, argumentierte er, »wenn die Gerechtigkeit käuflich ist, das heiligste Gut auf Erden, verkauft man
     die res publica, |133| verkauft man das Blut der Untertanen, verkauft man die Gesetze.«
    Anläßlich des Todes von L’Estoile kam das Gespräch im Champ Fleuri abermals auf jene empörende Konsultation des Papstes, und
     mein Vater meinte, außer der Tatsache, daß die Königin überhaupt nicht französich fühlte, habe sie auch nicht eine Unze gesunden
     Menschenverstand.
    »Es ist ganz klar«, sagte er, »die maßlosen Gunstbeweise, mit denen sie diese Concinis überhäuft, haben ihr das Volk entfremdet.
     Die Großen verübeln ihr, daß sie ihnen nie etwas gönnt. Und jetzt hat sie auch noch das Parlament gegen sich aufgebracht.
     Sie ist so dumm, daß sie nicht einmal zu wissen scheint, daß das Parlament niemals eine Einmischung des Papstes in französische
     Angelegenheiten geduldet hat.«
    »Wenn das Parlament so gallikanisch ist«, fragte La Surie, »heißt das, es hat Sympathie für die Hugenotten?«
    »Durchaus nicht. Ebensowenig wie für die Jesuiten.«
    »Und Monsieur de l’Estoile?«
    »Das ist etwas anderes! L’Estoile hat sich immer am Rande des Calvinismus gehalten. Von dieser Versuchung abgesehen, war er
     ein exemplarischer Staatsbürger, Amtsträger und Pariser.«
    »Wieso Pariser?« fragte ich erstaunt.
    »Als echter Pariser war er sein Leben lang äußerst kritisch gegen alle und alles und gleichzeitig äußerst klatschhörig und
     leichtgläubig. Es gab im Reich kein Kalb mit zehn Klauen, keinen Hexer, kein vom Teufel besessenes Weib, kein
Pischewunder
, woran er nicht ebenso felsenfest glaubte wie Mariette. Armer großer Freund! So reiches Wissen und so viel Torheit!
     
    Am Tag danach, einem Sonntag, war ich zur Messe in Notre-Dame und hörte Monsieur de Luçon 1 predigen, einen sehr eleganten jungen Prälaten, der mich ebensosehr durch seine Manieren, die den Edelmann aus gutem Hause verrieten, wie durch seine bestechende
     Eloquenz beeindruckte.
    Nach der Messe fand ich vor dem Portal meine Stute und den kleinen Spanier wieder, die La Barge, mit großer Pistole im Gürtel
     zur Abschreckung der Pferdediebe, wacker gehütet |134| hatte. Es war ein warmer, sonniger Morgen, die müßigen Pariser schlenderten durch die Straßen, und während ich, hoch zu Roß,
     nach den Ausschnitten der hübschen Mädchen äugte, die aus der Messe kamen oder zur Messe gingen, gelangte ich über den Pont-Neuf
     in die Rue Dauphine, wo die schmucken neuen Häuser aus weißem Haustein und rotem Backstein mit ihren Scheiben und frisch gestrichenen
     Fensterläden glänzten und das Pflaster so wunderbar eben war.
    Obwohl ich nirgendwohin wollte, führte ein Engel oder vielmehr eine Fee meine Stute geradewegs in die Rue des Bourbons, vor
     das Hôtel Frau von Lichtenbergs. Hohe Mauern schieden es von der Straße ab, doch als ich die Augen hob, sah ich voller Verblüffung,
     daß die Läden und Fenster offenstanden. Mein Herz hämmerte mir gegen die Rippen, halb freudig, halb bang. Ich konnte nicht
     glauben, daß sie schon da sein sollte, denn seit Bassompierre nach Heidelberg gereist war, hatte ich von ihm nichts mehr gehört.
     Wenn aber meine Gräfin nicht im Hause war, wer erkühnte sich dann, sich dort aufzuhalten und es allen Lüften zu öffnen?
    Rasch stieg ich ab, warf La Barge meine Zügel zu und ergriff den Klopfer am Eingang (er stellte ein Lamm dar, das meine Hand
     gerührt umfing). Ich klopfte ans Tor, klopfte mehrmals, endlich hörte ich einen schweren Schritt sich nähern. Die Klappe ging
     auf, und hinter einem Gitter spähte ein wachsames Auge nach mir.
    »Wer ist da?«
fragte eine rauhe Stimme.
    »Ich bin Peter von Siorac und möchte Herrn von Beck sprechen . «
    »Einen Moment bitte, mein Herr . «
    Dieser deutsche Dialog überzeugte mich, daß es in dem Hause mit rechten Dingen zuging, und weil die Logik mir flüsterte, wenn
     der Majordomus da sei, könnte seine Herrin es wohl auch sein, hoffte ich mit fliegender Ungeduld, daß er es mir bestätigte.
    Mit seiner üblichen Höflichkeit öffnete mir von Beck die Tür, schloß aber die meines Herzens:
»Nein, die Gräfin ist noch nicht angekommen.«
1
    Sie werde kommen, aber er wisse nicht, wann. Er sei mit |135| einigen Dienern da, um das Haus zu lüften und zu reinigen, bevor sie eintreffe.
    Seltsam, noch nie empfand ich so große Freude beim Anblick

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