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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Gemächern, so quasi
     verborgen Ludwig lebte, war er doch besser unterrichtet als ich.
    »Ja, Sire«, sagte Souvré, offenbar ebenso überrascht wie ich, daß sein Zögling die Nachricht schon erfahren hatte. Trotzdem
     fragte er nicht, woher er sie hatte, denn wie Souvré aus langer Erfahrung wußte, verriet der König seine Quellen nicht.
    »Warum?« fragte Ludwig und gab sich erstaunt.
    Monsieur de Souvré schien in Verlegenheit. Der große dicke Mann, eher kleinlich als boshaft, eher frömmelnd als fromm, eher
     borniert als wirklich dumm, in der Etikette ganz im Sattel, blickte über seine Stupsnase nicht hinaus. Er verstand nur wenig
     von dem, was in seinem Zögling vorging. Blind wiederholte er alles, was dieser sagte, der Königin, die ihren Sohn ebensowenig
     verstand und oft zu Unrecht bestrafte.
    Ludwig, der Souvré die Allmacht verargte, die er über ihn und seinen Tagesablauf hatte, trieb mit ihm seinen kleinen Spott,
     der manchmal stark genug war, die Elefantenhaut seines Erziehers zu durchdringen. Souvré erboste sich dann und drohte, die
     ungehörigen Worte der Königin zu melden. Eine Meldung, die für Ludwig die Rute bedeutet hätte und ihn zur Besinnung brachte.
     Dann bat er Souvré um Verzeihung, manchmal sogar auf Knien, und Souvré versprach ihm gutmütig, zu schweigen. Was nun Monsieur
     de Souvré bei dieser Gelegenheit verwirrte, war, daß Ludwigs scheinbar naives ›warum‹ bereits eine Kritik an der Herrschaft
     der Regentin darstellte.
    »Sire«, sagte er, »ich weiß nicht, aus welchem Grund Monsieur de Sully entlassen wurde. Aber die Königin hat es nicht ohne
     Grund getan. Sie hat es getan, wie sie alles tut: mit großer Besonnenheit.«
    |127| Das Argument der mütterlichen Unfehlbarkeit, so dachte ich, war wohl am wenigsten geeignet, Ludwig zu überzeugen. Er wußte
     sehr gut, daß sie nur eine Puppe in den Händen der beiden Concinis war. Und sogar er wandte sich ja, wenn eine Sache ihm sehr
     am Herzen lag, beispielsweise eine Unglückliche begnadigen zu lassen, die zu Unrecht wegen Kindsmordes verurteilt war, an
     die Marquise von Ancre, um die Regentin zu erweichen.
    Als Ludwig, die schönen schwarzen Augen auf Monsieur de Souvré gerichtet, ihm mit keiner Silbe antwortete, brach sich die
     Wahrheit oder vielmehr eine halbe Wahrheit im nebligen Hirn seines Erziehers Bahn: daß er seinen Zögling womöglich nicht hinreichend
     überzeugt hatte, und so fragte er: »Seid Ihr über Monsieur de Sullys Gehen verärgert?«
    »Ja«, sagte der König.
    Damit kehrte er ihm den Rücken und ging auf die Galerie spielen. Er baute sich aus Klötzern ein kleines Haus, eine Beschäftigung,
     die Monsieur de Souvré ihm als kindisch vorwarf.
    Monsieur de Souvré hatte große und berechtigte Ambitionen. Wenn Ludwig eines Tages die Volljährigkeit erreichte, würde er
     sein Erzieheramt los, und er hoffte, dann zum Marschall von Frankreich ernannt zu werden, was die Regentin ihm auch so gut
     wie versprochen hatte.
    Am selben Abend, nachdem Ludwig sich über die Entlassung Sullys erregt hatte, berichtete Monsieur de Souvré sein Gespräch
     mit seinem Zögling getreulich der Königin. Anschließend sprach er herablassend von dem kleinen Haus, das der König sich in
     der Galerie gebaut hatte. Und zum Schluß fragte er, ob die Regentin es für nötig halte, mit Ludwig noch einmal über das Thema
     Sully zu sprechen.
    »Non mi sembra necessario«,
sagte die Regentin verächtlich.
»È una bambinata.«
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    |128| FÜNFTES KAPITEL
    Als mein Vater erfuhr, daß Pierre de l’Estoile ziemlich krank gewesen war, schickte er ihm ein Billett und fragte, ob unser
     alter Freund, sobald er sich besser fühle, zum Diner kommen wolle. Um ihm jede Ermüdung zu ersparen, würde unsere Kutsche
     ihn abholen und auch wieder heimfahren.
    Als wir ihn dann in unserem Hof aussteigen sahen, waren wir sehr betroffen, so verändert wirkte er, sein Gang war unsicher,
     das Gesicht hohl und fahl, und seine früher so lebhaften Augen waren von Traurigkeit verschleiert.
    Er rührte das Essen kaum an und zählte bis ins einzelne die Leiden auf, die ihn befallen hatten.
    »Ach, gute Freunde«, sagte er, »ich bin im vergangenen Monat durch die neunzig Qualen der Hölle gegangen. Zu dem wütenden
     Fieber, das mich zuerst niederwarf, kam ein großer Durchfall, und als ob das noch nicht reichte, befiel mich ein Feuer in
     den Hämorrhoiden und eine unerträgliche Urinverhaltung. Und als es mir nach Wochen endlich

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