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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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L’Estoile fort, »gibt es immerhin drei.«
    »Drei? Gerechter Himmel! Und wer sind sie?«
    »Der Präsident De Thou …«
    »De Thou? Der Autor der
Histoire Universelle
?« fragte La Surie, der zeigen wollte, daß er dieses großartige Buch gelesen hatte, und nicht ohne Mühe, denn es war lateinisch
     geschrieben.
    »Eben der«, sagte L’Estoile, »ein berühmter Mann, wie Ihr seht.«
    »Aber in diesem Fall«, sagte ich, »ist es doch keine Empfehlung, das Buch geschrieben zu haben, weil der Papst es inzwischen
     auf den Index gesetzt hat.«
    »Und warum?« fragte La Surie, wißbegierig wie immer.
    »Wegen seiner gallikanischen Tendenzen«, sagte mein Vater, »und der zu geringen Antipathie des Autors gegenüber den Protestanten.
     Aber, fahrt fort, mein Freund.«
    |131| »Der zweite Kandidat ist der Präsident Jambeville und der dritte Monsieur de Verdun.«
    »Es wird der Königin nicht leichtfallen«, sagte mein Vater, »zwischen den drei Kandidaten zu wählen, jeder der drei wird mächtige
     Fürsprecher haben.«
    »De Thou«, sagte L’Estoile, »empfiehlt sich durch sein Wissen, seine Tugenden, seine Selbstlosigkeit und seinen großen Ruf
     der Ausgewogenheit.«
    »Dann ist er schon draußen«, sagte mein Vater.
    Wir lachten.
    »Jambeville«, fuhr L’Estoile fort, »wird stark unterstützt vom Marquis von Ancre, weil er einer seiner eifrigsten Speichellecker
     ist.«
    »Also ist er drin!«
    »Und Monsieur de Verdun genießt die Gunst des Paters Cotton und der Jesuiten.«
    »Aha! Ein Cotton-Mann«, sagte mein Vater. »Dann ist er auch drin!«
    »Aber, Monsieur de l’Estoile«, sagte La Surie, »wer ist dieser Verdun?«
    »Er stammt aus Toulouse und soll eine wahre Wetterfahne sein, sich drehen und wenden, wie der Wind der Eitelkeit ins Segel
     seiner Ambitionen bläst.«
    »Ha, Monsieur de l’Estoile«, sagte La Surie, und ich wußte nicht, spottete er, oder war er nur galant, »Ihr werdet geradezu
     poetisch!«
    »Kurz«, sagte mein Vater, »was tat die Königin, als sie zwischen De Thou, Jambeville und Verdun wählen sollte?«
    »Ich setze tausend zu eins: Ihr erratet es nicht«, sagte L’Estoile. »Was die Königin tat, übersteigt jede Vorstellung.«
    »Nun was denn?« fragte mein Vater.
    »Sie hat dem Papst geschrieben und um seinen Rat gefragt, wen sie nehmen soll: De Thou, Jambeville oder Verdun!«
    Sprachlos blickten wir einander an.
    »Herr im Himmel!« rief mein Vater endlich, »traue ich meinen Ohren? Die Königin von Frankreich fragt den Papst, wer Erster
     Präsident des Pariser Gerichtshofes werden soll? Und wie nimmt das Parlament das auf?«
    »Mit großer Wut! Die um so heftiger ist, als es sie verschweigen muß! Man schäumt vor Zorn. Alles grollt hinter |132| vorgehaltener Hand: Hat man in Frankreich jemals von solcher Einmischung gehört, der Papst bestimmt unseren Ersten Präsidenten?
     Dann kann man ihm auch gleich das Szepter und die Hand der Gerechtigkeit übergeben, die man Ludwig bei seiner Salbung verliehen
     hat! Et cetera, et cetera.«
    »Und wie hat der Papst geantwortet?«
    »So knapp wie schlau:
›Il primo, haeretico; il secundo, cattivo; il terzo, non cognosco.‹
1 «
    »Und worin liegt die Schläue?«
    »Der Papst lehnt De Thou als Ketzer, Jambeville als boshaft ab. Bleibt also nur Verdun, doch hütet sich der Heilige Vater,
     ihn vorzuschlagen, sondern behauptet, er kenne ihn nicht.«
    »Ist das falsch?«
    »Wäre es wahr, müßte man annehmen, die Jesuiten hätten ihn über ihren Favoriten nicht unterrichtet.«
    »Und welchen Vorteil bringt dem Papst die Behauptung, er wisse nichts über ihn?«
    »Er braucht sich in keiner Weise zu kompromittieren, wenn er Verdun empfiehlt, indem er die beiden anderen ausschließt.«
    »Und Verdun war im Besitz dieser dreihunderttausend Ecus für den Kaufpreis?«
    »Bewahre, aber es gab viele, die sie ihm liehen: dafür haben die Jesuiten gesorgt.«
    ***
    Wenige Wochen, nachdem Pierre de l’Estoile bei uns im Champ Fleuri zum Diner war, starb er, und obwohl uns dies nach dem Zustand,
     in dem wir ihn gesehen hatten, nicht verwunderte, wurden wir von seinem jähen Ende doch überrascht, und es schmerzte uns.
     Auch wenn er wie jeder andere gelehrte und wohlhabende Bürger sein Amt als Erster Richter gekauft und später verkauft hatte,
     war L’Estoile bei jeder Gelegenheit entschieden gegen den Ämterkauf zu Felde gezogen. Auch bei diesem letzten Diner mit uns
     hatte er den ›schändlichen Handel‹ angeprangert, der in Frankreich

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