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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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des dicken, hängebackigen von Beck. Am liebsten wäre ich ihm um
     den Hals gefallen. In seiner korrekten Verbindlichkeit muß er meine glückliche Reaktion als übertrieben, wenn nicht unziemlich
     empfunden haben. Und ohne seine Höflichkeit aufzugeben, wahrte er doch einigen Abstand. Woraufhin ich ihn mit wachsender Beklommenheit
     fragte, ob er denn sicher sei, daß die Gräfin kommen werde? Aber je dringlicher ich mir in diesem Punkt Gewißheit erbat, desto
     weniger gab er sie mir. Er sei hier, sagte er, um die Ankunft seiner Herrin vorzubereiten, aber natürlich könne er nicht beschwören,
     daß sie wirklich kommen werde.
    Dieses ›natürlich‹ traf mich ins Herz, und ich begann zu bedauern, daß ich von Beck mit so vielen Fragen bestürmt hatte. Schließlich
     war ich so vernünftig, dieses Verhör zu beenden, ich dankte von Beck und sprang in den Sattel. Aber die ganze Zeit, während
     ich zum Louvre ritt, zermarterte ich mir das Hirn, taub für alles, was La Barge sagte, und völlig blind diesmal für das Schauspiel
     der Straßen.
    Dabei war ich mir des Unsinns meiner Besorgnisse durchaus bewußt. Wenn Frau von Lichtenberg nur eine Freundin gewesen wäre,
     deren Rückkehr mich erfreut, aber nicht erschüttert hätte, wäre ich über die Tatsache, daß ihr Majordomus das Haus für ihre
     Ankunft vorbereitete, nicht in die allergeringste Unruhe geraten, ob ich sie auch bald wiedersehen würde. Also entsprang dieses
     ganze große Hämmern im Kopf und dieser Aufruhr im Bauch allein meinem maßlosen Verlangen, sie wiederzusehen. Ich begriff glasklar,
     was in mir vorging, aber das minderte durchaus nicht mein quälendes Bangen.
    Wie ich in diesem innerlichen Drunter und Drüber nun in den Louvre und in die königlichen Gemächer gelangte, traf es mich
     voller Verwunderung, dort Schreien und Weinen zu hören. Zuerst verstand ich gar nicht, woher diese Klagen kamen, aber als
     ich die Hecke der anwesenden Edelleute durchschritt, sah ich den kleinen König stehen, der wie wild einen Knaben in seine
     Arme schloß, etwa so groß wie er, dessen Gesicht ich zuerst nicht erkannte, weil er es an Ludwigs Schulter preßte, um sein
     Schluchzen zu ersticken.
    |136| Der König aber war so von Sinnen, daß er seinen Schmerz nicht unterdrücken konnte. Unaufhörlich strömten die Tränen über seine
     Wangen, dick wie Erbsen, und sein offener Mund, der schrie, wimmerte, klagte, hatte jene rechteckige Form, die man an den
     tragischen Masken des griechischen Theaters sieht und die mir schon immer allen Schmerz der Welt auszudrücken schien.
    Um dieses Pärchen sah ich Souvré, Héroard, Despréaux, Bellegarde, d’Auzeray, Vitry, Praslin und noch manch anderen stehen.
     Sie waren wie Stein, und ihre Augen, das einzig Lebendige in den starren Gesichtern, richteten sich auf Ludwig und seinen
     kleinen Freund, als könnten sie einen so grenzenlosen Schmerz nicht fassen.
    Einmal hob der Knabe, wohl Atem holend, das Gesicht von der Schulter des Königs. Da sah ich, daß er einen halben Kopf größer
     war als Ludwig, und erkannte seinen Halbbruder, den Chevalier de Vendôme.
    Der Chevalier, derzeit dreizehn Jahre alt – drei Jahre älter als Ludwig –, war die Frucht der Liebe Henri Quatres und der
     schönen Gabrielle. Von seinem Vater legitimiert und zum Sohn Frankreichs erklärt, strafte er das Wort nicht Lügen, wonach
     Kinder der Liebe besonders gut gelingen. Er gewann aller Herzen durch sein äußerst liebreizendes Wesen. Und so hing der kleine
     König an diesem Halbbruder auch mit inniger Zuneigung, die vom Chevalier glühend erwidert wurde.
    Achtundvierzig Stunden vor dieser herzzerreißenden Szene nun hatte ich von La Barge, dem großen Zuträger allen Klatsches im
     Louvre gehört, der Chevalier de Vendôme werde, nachdem er brauchgemäß mit seinem dreizehnten Geburtstag für volljährig erklärt
     worden sei, unverzüglich nach Malta geschickt. Und am selben Tag hatte Ludwig, als wir kurze Zeit in seinem Waffenkabinett
     allein waren, mich gefragt, wo Malta läge, was beweist, daß er von diesem Plan Wind bekommen hatte.
    Ich hatte Seiner Majestät also erklärt, daß Malta eine Insel südlich von Sizilien sei, der Ort des berühmten, halb kriegerischen,
     halb religiösen Ritterordens, dessen Sendung darin bestand, die Meerenge zwischen Sizilien und Tunesien gegen die Ungläubigen
     abzuriegeln. Die Insel sei stark mit Festungswerken, Kanonen und Schiffen bewehrt, und die Malteser Ritter, die

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