Königskind
Wangen ausbreitete und, was ich einzig bei ihr je gesehen habe, ihren Hals
und einen Teil ihres Dekolletés überzog. Schnell senkte ich die Augen auf meine Waffel, als hätte ich ihre Verwirrung nicht
bemerkt, und bald fuhr sie mit leicht belegter Stimme fort zu fragen.
»Wie haben Sie Ihre Wohnung möbliert?«
»Madame de Guise hat mir überlassen, was sie ihren ›ausge musterten Kram‹ nennt.«
»Wie geht es ihr?« fragte sie höflich.
»Sehr gut, auch wenn sie sich von Zeit zu Zeit für todkrank hält.«
»Und Ihre Halbschwester, die Prinzessin Conti, die Sie so sehr bewundern?«
|150| »Oh, inzwischen bin ich mit meiner Bewunderung sparsamer geworden«, sagte ich, weil ich spürte, daß ihr die Prinzessin ebenso
grundlos ein kleiner Dorn im Auge war.
»Und hatten Sie unter den Ehrenjungfern der Königin nicht eine Cousine, eine geborene Caumont?«
»Ja, Mademoiselle de Fonlebon. Wie ich hörte, heiratet sie dieser Tage einen älteren Edelmann, ebenso reich wie sie.«
»Hatte der selige König Ihnen nicht versprochen, Ihnen den Titel Herzog von Aumale zu verleihen, wenn Sie die Tochter des
ehemaligen Herzogs heiraten?«
»Das hatte er auch Bassompierre versprochen«, sagte ich lächelnd, »und Bassompierre hat dieses Angebot auch ausgeschlagen.
Ich habe nicht vor, mich in einer Ehe zu begraben, bevor ich alt und grau bin.«
»Und warum?«
»Weil ich mich einer dringlicheren Pflicht widmen will.«
»Und die wäre?«
»Dem König zu dienen.«
Obwohl ich keinerlei Ungeduld über dieses Verhör hatte erkennen lassen, mußte Frau von Lichtenberg bemerkt haben, daß sie
es ein bißchen weit getrieben hatte, und zur Ablenkung stellte sie, nun in mehr unbeteiligtem Ton, mehrere Fragen, deren Antworten
sie zweifellos viel weniger interessierten.
»Nötigt Sie Ihr Amt als Erster Kammerherr, jeden Tag beim König zu sein?«
»Ich sehe den König täglich, aber nicht den ganzen Tag. Ich begleite ihn weder zur Messe noch zur Jagd, und da er diesen Beschäftigungen,
freiwillig oder gezwungen, viele Stunden widmet, bleibt mir viel freie Zeit.«
»Schlafen Sie immer in Ihrer Wohnung im Louvre?«
»Ich bin dazu nicht gehalten, aber ich tue es.«
»Sie haben sicher auch Bedienstete?«
»Ich habe zwei.«
Da diese lakonische Antwort sie kaum befriedigte, fragte Frau von Lichtenberg weiter: »Und als was dienen sie Ihnen?«
»Mein Page dient mir zugleich als Bote, Reitknecht und Lakai, und für meine Haushaltung und meine Küche habe ich eine Kammerfrau.«
Weil sie diesmal Zeit zur Überlegung brauchte, nahm die |151| Gräfin die Weinkaraffe von dem kniehohen Tischchen und füllte mein Glas. Als sie aber sah, daß meine Hände von dem Teller
mit der nicht angebissenen Waffel besetzt waren, begriff sie, daß ihre Fragen mir noch keine Muße zum Essen gegönnt hatten,
und mit sichtlicher Reue stellte sie den Kelch wieder auf den Tisch und schwieg. Aber da ich die Waffel auch jetzt nicht zum
Mund führte, weil ich wußte, daß wir soeben an einen sehr heiklen Punkt geraten waren, der ausgeräumt werden mußte, wurde
unser beiderseitiges Schweigen auf einmal viel drückender, als ihr lieb sein konnte. Ihr Atem ging schwerer, und ihre Ohrgehänge
bebten. Sie mußte dieses leichte Zittern bemerkt haben, denn sie hob die Hand und legte sie auf den Schmuck, wie um dadurch
selbst zur Ruhe zu finden. Diese Geste rührte mich unendlich, und aus einem jähen und leidenschaftlichen Antrieb eilte ich
ihr zu Hilfe dabei, das Skalpell zu führen, das in mein eigenes Leben schneiden sollte.
»Madame«, sagte ich leise und ernst, »wenn Sie mir Fragen über diese Kammerfrau stellen wollen, bitte, tun Sie es. Ich fühle
mich Ihrer Freundschaft viel zu sehr verpflichtet, um Ihnen nicht freimütig zu antworten.«
»Mein Freund, ich danke Ihnen«, sagte sie gefaßt.
Und nach einem erneuten Schweigen fuhr sie ein wenig überstürzt fort: »Wie alt ist diese Kammerfrau?«
»Gut zwanzig Jahre.«
»Wann haben Sie sie eingestellt?«
»Nach Ihrer Abreise nach Heidelberg.«
»Wo schlafen Ihre Leute?«
»Mein Page auf einer Matratze in einem Kabinett neben meinem Schlafzimmer und meine Kammerfrau auf einer Matratze im Empfangssalon.
Für den Tag werden die Matratzen in das Kabinett geräumt.«
»Wie heißt Ihr Page?«
»La Barge.«
»Und Ihre Kammerfrau?«
»Louison.«
»Ihre erste Zofe hieß, wenn ich mich recht erinnere, Toinon. Und wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, entsprang sie
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