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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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doch die Stute und antwortet mir! Wie ist der Name dieses Edelmanns?«
    Ich zögerte, denn weder wollte ich einen Namen erfinden, noch einem Bekannten ein Leiden andichten.
    »Mein Vater hatte keine Zeit, ihn mir zu nennen«, sagte ich. »Er war sehr in Eile.«
    Aber meine Patin hatte mein Zögern bemerkt, und sofort fiel sie mit gespitzten Pfeilen über mich her.
    »Und Ihr, Monsieur, könnt Ihr mir sagen, wie Ihr Euch nennt? Seid Ihr wirklich der Chevalier de Siorac, Erster Kammerherr
     des Königs? Oder ein gemeiner Handwerker bei seiner Drecksarbeit, die Haare zottelig und die Hände voll Schmiere?«
    »Seine Majestät«, sagte ich, »reinigt seine Hakenbüchsen auch selbst, da darf ich ihn wohl ohne Unrecht nachahmen.«
    »Und wie unrecht Ihr habt, Monsieur!« versetzte die Herzogin mit hochfahrender Miene. »Zum ersten sprecht Ihr zu mir nicht
     in dem Ton! Und dann müßt Ihr Ludwig nicht in seinen kindischen Handwerkereien nachahmen, die eines Königs von Frankreich
     unwürdig sind!«
    Das Lied kannte ich. Es wurde bei der Regentin in allen Tonarten gesungen, um sie zu erhöhen und den König herabzusetzen. |157| Aber dies war nicht der Moment, dagegen Widerspruch einzulegen, lieber pfiff ich die Hunde zurück.
    »Madame«, sagte ich, »ich bin in der Tat beschämt, Euch in diesem Aufzug zu empfangen. Wollt Ihr mir erlauben, Urlaub zu nehmen
     und Euch erst wieder unter die Augen zu treten, wenn ich Toilette gemacht habe?«
    »Geht, Monsieur, geht!« sagte sie aufgebracht. »Ihr seid ja so nicht zum Ansehen!«
    Ich verneigte mich, lief hinaus und beauftragte Franz, vor unserem Tor meinen Vater abzupassen und ihm zu sagen, er möge für
     den Edelmann, den er besucht hatte, einen Namen
ad usum ducissae
1 finden.
    Zum Glück schlug nichts fehl. Madame de Guise, deren sehr rege Eifersucht auf einen äußeren Feind gerichtet war, argwöhnte
     die Anwesenheit der Rivalin im Innern nicht. Und ich hatte verhindert, daß ihr bitterer Verdacht sich meiner unschuldigen
     Gräfin zuwandte, der sie als so nahe Freundin der Regentin übel hätte mitspielen können.
    Was den leidenden Edelmann betraf, mußte mein Vater nicht groß lügen, denn am Tag vorher hatte er im
Gasthof zum durchlöcherten Ecu
den Baron de Salignac besucht (einen périgordinischen Freund und Tischgenossen meines Großvaters, des Barons von Mespech),
     der an einer Verdauungsstörung litt, und er mußte ihn an diesem Tag wieder besuchen.
    »Und wie geht es«, wagte ich ihn in Gegenwart Madame de Guises zu fragen, »dem ehrenwerten Herrn?«
    »Es ist nichts weiter«, sagte mein Vater mit ungerührter Miene. »Wenn man ihn nicht zur Ader läßt und ihn nicht mit Arzneien
     stopft, erholt er sich ganz von selbst. In drei Tagen ist er wieder auf den Beinen.«
    * * *
    Ludwigs Erzieher, Monsieur de Souvré, war ein großer, dicker Mann, nicht ganz so eitel und aufgeblasen wie der Großkämmerer,
     aber trotzdem sehr unbeweglich an Körper und Geist, ohne Bosheit, aber auch ohne Feingefühl, prahlerisch, von sich eingenommen,
     kleinlich, beschränkt, protokollvernarrt und einigermaßen |158| kindisch, ohne aber von dem Kind etwas zu verstehen, das ihm anvertraut war, obwohl er es liebte. Es ist wahr, Ludwig war
     kein leicht zu behandelnder Junge, er war lebhaft, zornmütig, dickköpfig und manchmal frech. Aber er hatte ein so zärtliches
     Herz und eine so liebeempfängliche Seele, daß Souvré, hätte er ihn von dieser Seite genommen und ihm seine Anweisungen erklärend
     nahegebracht, anstatt sie ihm aufzuzwingen, wohl selten einen Strauß mit ihm hätte ausfechten müssen.
    Ich erinnere mich, wie ich Ludwig einmal, noch zu Lebzeiten des Königs, besuchte und ihn damit beschäftigt fand, Kugeln in
     den Kannelierungen seines Handleuchters rollen zu lassen, wobei er so tat, als wären die Kugeln Soldaten. Monsieur de Souvré
     regte sich auf über diese Belustigung und sagte: »Monsieur (denn damals war Ludwig noch Dauphin), Ihr vergnügt Euch mit Kinderspielen.«
    »Aber, Monsieur de Souvré«, sagte Ludwig, »das sind Soldaten und keine Kinderspiele!«
    »Monsieur«, versetzte Souvré, »Ihr kommt doch nie aus der Kinderei heraus!«
    Ach, dachte ich, hat Monsieur de Souvré vergessen, daß er selbst einmal ein Kind war? Womit spielte dieser absolute Richter
     über Ziemliches und Unziemliches wohl mit achteinhalb Jahren? Mußte der Sohn eines Königs mit achteinhalb schon ein Erwachsener
     sein? Und durfte man ihn schelten, wenn er sich vorstellte,

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