Königskind
soviel, um den Verlust
seiner Equipage wettzumachen.
So froh ich auch diesmal wieder am Ort meiner jungen Jahre weilte – in der Nacht fand ich keinen Schlaf, so aufgewühlt war
ich von meinem Wiedersehen mit Frau von Lichtenberg.
Ich schwelgte bereits in den höchsten Wonnen. Und ob mit offenen oder geschlossenen Augen: immer sah ich meine Gräfin, hörte
die Musik ihrer Stimme, atmete ihr Parfum und besann mich aller Züge ihres schönen Wesens. Und weil sie den ganzen Horizont
meines Lebens füllte, das in meinen Träumen schon zu einem kleinen Paradies auf Erden geworden war, das mir verläßlich auf
immer gehörte: wenn ein guter Geist mir jetzt noch geflüstert hätte, zu den Tugenden meiner Gräfin zähle auch die Unsterblichkeit,
ich hätte es geglaubt.
Aber die Bosheit des Geschicks, das meinen teuersten Wünschen schon so viele Steine in den Weg gelegt hatte, verfolgte mich
auch weiterhin in Gestalt desselben kleinen Laufburschen, den ich tags zuvor fast abgeküßt hätte, denn er überbrachte mir
ein Billett, in dem Frau von Lichtenberg mitteilte, sie sei mit Fieber und Husten erwacht und müsse unser Rendezvous verschieben.
Weil sie den Pariser Ärzten wenig traute, bat sie mich, meinen Vater zu fragen, ob er kommen und sie untersuchen könne. Was
ich augenblicklich tat, und zwar gleichsam mit Trauertränen am Wimpernrand, so nahe sah ich sie nun dem Tod, nachdem ich sie
für unsterblich gehalten hatte. »Es sollte mich |155| sehr wundern, wenn es etwas Ernstes wäre«, sagte mein Vater, »die Dame hat eine ebenso kräftige Natur wie Eure Patin.« Trotzdem
ließ er sein Pferd satteln und brach mit Pissebœuf und einem Pagen zur selben Minute auf.
Ich lief auf und ab durch die Bibliothek, ganz aus dem Gleichgewicht durch diesen neuen Schlag und in großer Unruhe. Doch
kehrte mir schließlich ein wenig Vernunft zurück, und weil ich außerstande war, mich auf ein Buch einzulassen, ließ ich mir
von Poussevent eine unserer Hakenbüchsen bringen, die ich auf einem Tisch auseinandernahm und zu reinigen begann, wobei ich
auf meiner Uhr verfolgte, wieviel Zeit ich dafür brauchte.
Plötzlich ein großes Getöse im Hof, ich warf einen Blick durch die Scheiben: die Kutsche von Madame de Guise fuhr ein. Was
nun! dachte ich wie von Sinnen, so früh! Und ohne Anmeldung! Und mein Vater nicht im Haus! Und wie soll ich ihr sagen, daß
er einen Hausbesuch bei einer Dame macht, ihr, deren Eifersucht ständig auf der Lauer liegt! Und Margot muß schnell versteckt
werden! Und wie sehe ich aus, unfrisiert, unrasiert, ohne Wams und mit fettigen Händen!
Ich lief, Margot zu warnen, damit sie in ihrer Kammer verschwinde wie eine Maus im Loch. Aber Franz war mir schon zuvorgekommen
und schaffte es gerade noch, vom zweiten Stock herabzueilen, um die Herzogin auf unserer Schwelle zu empfangen.
Sie wechselte kaum drei Worte mit ihm, schob ihn beiseite, stieg im Eilschritt, Noémie de Sobol im Gefolge, zur ersten Etage
herauf, kam in die Bibliothek gestürzt, und ohne meinen Gruß zu erwidern, fragte, vielmehr schrie sie: »Wo ist Euer Vater?«
»Er macht einen Hausbesuch, Madame, bei einem Edelmann, einem Freund von ihm.«
»Bei einem Edelmann, wahrhaftig?«
»Ja, Madame.«
»Bei einem Edelmann oder einer Edelfrau?«
»Bei einem Edelmann, Madame.«
»Und was für ein Besuch soll das sein?«
»Ein Arztbesuch, Madame.«
»Der Marquis de Siorac, Ritter vom Heiligen-Geist-Orden, macht einen Arztbesuch wie so ein Hanswurst von Doktor! Hast du das
gehört, Noémie?«
|156| »Ja, Madame.«
»Ist das nicht eine Schande?«
»Es ist eine Schande, Madame«, sagte Noémie.
»Madame«, sagte ich, »mein Vater hat Euch auch schon in Eurem Hause behandelt und hat Euch bei einer Verrenkung durch sanfte
Massagen große Erleichterung gebracht.«
»Weil er mich damals liebte!« sagte Madame de Guise.
»Auch Noémie hat er von einer Brustentzündung geheilt.«
Die Herzogin zuckte die Achseln.
»Natürlich, wenn es darum geht, einem Weib an den Busen zu gehen, mag der noch so schlaff sein, dann ist er dabei!«
»Madame«, sagte Noémie mit einiger Entrüstung, »mein Busen ist nicht schlaff.«
»Still, dumme Trine! Und wie heißt denn der Edelmann, Monsieur, dessentwegen Euer Vater ein Maultier bestiegen hat wie jeder
erstbeste Medikaster?«
»Madame, er hat kein Maultier bestiegen, sondern seine schöne Fuchsstute und wird von einem Soldaten und einem Pagen begleitet.«
»Laßt
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