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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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aufstöbern, weil der Bengel sicherlich bei unseren
     Kammerfrauen steckte; dann trat ich vor den Spiegel und kämmte mich sorgsamst. Dabei fiel mir ein, wie ich vor meinem ersten
     Besuch bei Frau von Lichtenberg meine Siesta mit Toinon abgebrochen und von ihr verlangt hatte, mir die Haare zu kräuseln.
     Was sie aus Eifersucht nur sehr widerwillig tat und mir dabei allerhand Bosheiten an den Kopf warf.
    Leider hatte ich mich in der Zeit verrechnet und war eine Viertelstunde zu früh vorm Hôtel der Gräfin. Ich war verzweifelt,
     als wäre dies ein böses Omen, und weil ich wußte, wie ungehalten Damen sein konnten, wenn man vor der befohlenen Stunde eintraf,
     wendete ich, ritt die Rue Saint-André-des-Arts entlang, dann gemächlich über die Brücke Saint-Michel, saß sogar ab, um im
     Fenster eines Goldschmieds eine goldene |146| Kette zu bewundern, stieg wieder in den Sattel und ritt an der Sainte-Chapelle vorbei zum Königlichen Garten.
    »La Barge«, sagte ich, »bei der hohen Dame, die wir besuchen, wirst du schön deinen Mund halten und nichts hören, nichts sehen.«
    »Warum denn, Herr Chevalier?«
    »Weil die Leute des Hauses nicht dieselbe Religion haben wie wir.«
    »Herr Chevalier!« sagte La Barge, »sind es etwa auch Juden?«
    »Nein, es sind Hugenotten.«
    »Das ist auch nicht besser«, sagte La Barge.
    Ich verschob die Aufklärung meines Pagen über die Ketzer, ob Juden, ob Calvinisten, auf später und beschränkte mich auf das
     Augenblickliche.
    »Kurzum, La Barge«, sagte ich streng, »kein Geschwätz mit dem Gesinde des Hauses und keines nachher im Beichtstuhl! Bin ich
     dir ein guter Herr, La Barge?«
    »Ich wüßte mir keinen besseren, Monsieur!«
    »Dann erhalte ihn dir!«
    »Könnte ich ihn verlieren, Monsieur?« fragte La Barge erschrocken.
    »Nicht, wenn du dir die Regel hinter die Ohren schreibst: du schuldest mir ebenso Treue wie ich meinen Freunden, und unter
     diesen steht Frau von Lichtenberg mir am nächsten.«
    »Herr Chevalier«, sagte er, »ich werde es nicht vergessen.«
    Ob fertig oder nicht, eine hohe Pariser Dame hätte mich eine halbe Stunde schmachten lassen, bevor sie mich vorließ. Aber
     Frau von Lichtenberg, obwohl sie sonst über all die Feinheiten gebot, die den weiblichen Umgang so angenehm machen, war über
     solch kleinliche Koketterien erhaben, mit denen unsere Damen vom Hofe zugleich auf ihren Rang und auf die Macht pochen, die
     sie sich über unsere so schwachen Herzen zuschreiben. Sie empfing mich, sowie ich den Fuß in ihr Haus setzte, und das Schönste
     war, daß sie nach den ersten gewechselten Höflichkeiten rundheraus sagte: »Habe ich Sie vom Fenster nicht schon vor einer
     Viertelstunde durch meine Straße reiten sehen? Sie hätten ruhig anklopfen können. Ich war längst fertig und habe auf Sie gewartet.«
    Dieses so bar aller Künstelei gemachte Geständnis bezauberte |147| mich. Und um so mehr, als es mit einer Zurückhaltung geäußert wurde, die mich nicht ermutigte, es auszunutzen.
    Indessen betrachtete ich die Gräfin, ohne ein Wort zu sagen. Die Begrüßung hatte all meinen Mut aufgebraucht, mir zitterten
     die Beine. Und weil sie mir Blick für Blick zurückgab, auch ohne ein Wörtchen, wurde das Schweigen, so köstlich es anfangs
     war, schließlich doch unerträglich. Aber aus jenem Naturell, das ich über alles auf der Welt an ihr bewunderte, brach sie
     es.
    »Monsieur«, sagte sie, »sicher erinnern Sie sich, daß ich um drei Uhr eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen pflege, wir haben
     diesen Imbiß oft geteilt, als Sie mein Schüler waren. Wollen wir an diese hübsche Gewohnheit anknüpfen?«
    Es gelang mir, zu sagen, daß ich entzückt wäre. Sie läutete, ein Diener kam und trug ein niedriges Tischchen herein mit einer
     kleinen Karaffe Wein, kleinen runden Waffeln und einem Meißener Porzellantöpfchen voll Konfitüre. Frau von Lichtenberg setzte
     sich in einen Lehnstuhl, und auf einen Wink von ihr brachte der Diener einen Schemel für mich, dann zog er sich unter Verbeugungen
     zurück, auf welche die Hausherrin mit höflichem Nicken antwortete, was die Herzogin von Guise niemals getan hätte, weil sie
     von Kind auf gelernt hatte, daß Diener, Lakaien und Kammerzofen zu luftige Wesen seien, als daß man sie kennen oder wiedererkennen
     müßte.
    Unser Schmaus machte uns nicht gesprächiger, aber er machte das Schweigen behaglich, denn Frau von Lichtenberg verwandte auf
     das Bestreichen einer Waffel, die für mich bestimmt war, eine

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