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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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leidenschaftlich. »Was wird das Gesinde über mich sagen? Wo Ihr mich so erhöht habt,
     daß ich im Haus des Königs hab schlafen dürfen und in Eurer Kammer.«
    Jaja, schöne Leserin, Sie sehen mich ertappt und rot anlaufen! Denn in einem Punkt hatte ich meine Gräfin belogen: im Salon
     schlief nämlich La Barge, und Louison in meinem Kabinett, und wenn sie morgens Toilette machte, weckte sie mich mit tausend
     Neckereien. Ist es nicht eine betrübliche Beobachtung, daß wir selbst denen, die wir am meisten lieben, mancherlei verheimlichen,
     um sie nicht zu verletzen?
    »Louison«, fuhr ich fort, »wie sollte unser Gesinde dich schlechtmachen? Du gehst doch zurück zu meinem Vater, der dich auch
     eingestellt hat.«
    |161| »Ach, Monsieur!« sagte sie, und Tränen rollten ihr, dick wie Erbsen, aus den blauen Augen, »was soll man von mir denken, wo
     ich den Glanz verloren habe, im Louvre zu schlafen und einem Ersten Kammerherrn zu gehören? Und nicht nur das! Schon lange
     hab ich gemerkt, daß Ihr nicht mehr solchen Appetit auf mich habt wie am Anfang und daß Ihr anderswo verliebt seid.«
    »Du hast dich nicht getäuscht.«
    »Und in wen, Monsieur? Wollt Ihr mir erlauben, Euch das zu fragen?«
    »In eine hohe Dame.«
    »Ach, das beruhigt mich ein bißchen!« sagte sie mit einem Seufzer. »Ich hätte es nicht ertragen, wenn Ihr es in ein Mädchen
     meines Schlages wäret. Monsieur, werdet Ihr Eure hohe Dame heiraten?«
    »Nein, das geht nicht.«
    »Wie!« sagte sie, etwas entrüstet, »wollt Ihr mit ihr denn in Sünde leben?«
    »Habe ich mit dir nicht auch so gelebt?« fragte ich lächelnd.
    »Aber mit mir war es nicht dasselbe, Monsieur! Ich bin eine Kammerfrau.«
    Eine seltsame Theologie, fand ich, die den Grad der Sünde abhängig machte vom Rang. Doch da sie einmal vom Heiraten sprach,
     benutzte ich es, ihre Gedanken besser darauf zu lenken.
    »Aber du, Louison«, sagte ich sanft, »wirst eines Tages heiraten, und dann erhältst du von mir eine Mitgift, wie ich es dir
     versprochen habe, zum Dank für alle deine tausend Freundlichkeiten.«
    Sie bedankte sich, bat sich aber ein kleines Andenken von mir aus. Und weil mir einfiel, daß sie von meinen Ringen am meisten
     einen Rubinring bewunderte, den La Surie mir einmal geschenkt hatte, ließ ich ihr von einem Goldschmied auf dem Pont Saint-Michel
     noch einmal den gleichen anfertigen. Und als ich ihn Louison im Champ Fleuri überreichte, empfing sie ihn so feierlich und
     mit einer Freude, als hätte der König ihr den Orden vom Heiligen Geist verliehen.
    Zum Ersatz für Louison gab mir mein Vater den besten Gehilfen unseres Kochs Caboche. Er war ein reinlicher und geschickter
     Bursche, Jean Robin mit Namen, der sich mit La |162| Barge gut verstand, weil er bescheiden und schweigsam war und ihm widerspruchslos das Kommando überließ.
    * * *
    Der kleine König hatte Lateinstunde, als ich seine Gemächer betrat. Sein Hofmeister Nicolas Lefèvre paukte mit ihm die unregelmäßigen
     Verben.
    »Sire«, sagte der Hofmeister, den diese trübsinnige Pflicht noch mehr als seinen Schüler zu langweilen schien, »wie lautet
     das Präteritum von
pello

    »Pepuli«
, sagte Ludwig.
    »Sehr schön, Sire«, sagte der Hofmeister, ziemlich erstaunt. »Das wißt Ihr also wenigstens.«
    »Es ist ja auch ein hübsches Wort,
pepuli !«
sagte Ludwig. »Es gefällt mir!«
    Ich sah Monsieur de Souvré lächeln über das, was er sicher wieder als Kinderei ansah (oder als
una bambinata
, wie die Königin sagte), aber was ich für eine Liebe zur Sprache hielt, deren ein guter Pädagoge sich bedient hätte, um Ludwig
     das Lateinische anhand der melodiösesten Verse Vergils und Ovids beizubringen, anstatt ihn mit ewigen Deklinationen zu martern.
    Die Stunde war zu Ende, Ludwig, der mich bestimmt schon bei meiner Ankunft bemerkt, aber so getan hatte, als sähe er mich
     nicht (um mir aus den bekannten Gründen nicht zuviel Gunst zu bezeigen), begrüßte mich nun: »Ah, Monsieur de Siorac! Da seid
     Ihr!«
    »Ich stehe Euren Befehlen ganz zu Diensten, Sire«, sagte ich, indem ich vortrat, um vor ihm niederzuknien und seine kleine
     Hand zu küssen.
    »Nun, Monsieur de Siorac, habt Ihr Eure Hakenbüchse geputzt, wie Ihr es versprochen hattet?« fragte er.
    »Ja, Sire.«
    »Und wieviel Zeit habt Ihr gebraucht?«
    »Fünf Minuten, Sire.«
    »Ah! Ich bin schneller«, sagte Ludwig, indem er aufsprang. »Lauft, Descluseaux, schließt meine Waffenkammer auf! Monsieur
     de Siorac, gehen

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