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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Frage stört mich nicht«, sagte sie duldsamer, als ich es verdiente, »aber sie greift dem vor, was ich Ihnen sowieso anvertrauen
     wollte.«
    Ich war so verwirrt, aufs neue mit Sanftmut genommen zu werden, daß ich nichts mehr sagen konnte und rot anlief. Was mich
     ärgerlich machte, aber diesmal auf mich. Frau von Lichtenberg fühlte es und streichelte mit dem Handrücken über |192| meine Wange. Es war eine leichte, rasche Liebkosung, die mich sehr bewegte.
    »Für gewöhnlich«, sagte sie, »erzählt mir Bassompierre mit Witz die Neuigkeiten des Hofes, weil er weiß, wie zurückgezogen
     ich lebe. Aber diesmal kam er mit ernsten Dingen, die er anscheinend nur mitteilte, damit ich sie weitersage.«
    »Wem?«
    »Ihnen natürlich. Wem sonst, da es sich um Ihren kleinen König handelt.«
    »Und was hat er Ihnen erzählt?« fragte ich begierig.
    »Er berichtete mir in allen Einzelheiten, was sich gestern im Großen Rat zugetragen hat.«
    »Und woher weiß er das? Er ist doch nicht dabei. Zum Großen Rat gehören nur die Minister, Marschälle, Herzöge und Pairs.«
    »Herzog Bellegarde hat ihn ins Vertrauen gezogen. Wie dem auch sei, auf diesem Großen Rat verkündete die Regentin feierlich
     die spanischen Hochzeiten.«
    »Die spanisch
en
Hochzeit
en
? Haben Sie Hochzeit
en
gesagt?«
    »Ja, es wird nicht nur eine geben, sondern zwei. Ludwig wird mit der Infantin Anna vermählt und Madame mit dem Infanten Philipp.«
    »Also wird die Infantin Anna Königin von Frankreich und Madame Königin von Spanien. Alle Wetter! Mehr kann man uns nicht spanifizieren!
     Welch unfaßliche Verkehrung der Politik des seligen Königs. Unsere Feinde von gestern werden unsere Freunde! Auf einen Schlag
     gibt man ihnen zwei Kinder Frankreichs preis! Und wie haben die Großen das aufgenommen?«
    »Guise und Montmorency begeistert, weil sie von der Liga sind. Die Hugenotten Bouillon und Lesdiguières mit großer Zurückhaltung,
     weil sie um die protestantischen Bündnisse fürchten. Condé sagte nichts. Und als die Regentin nach dem Grund seines Schweigens
     fragte, antwortete er: ›Beschlossene Sachen bedürfen keines Rates mehr.‹«
    »Immerhin etwas! Und Ludwig?«
    »Der kleine König war nicht dabei.«
    »Ist das die Möglichkeit! Er präsidierte nicht einmal dem Großen Rat, als die Regentin seine und seiner Schwester Vermählung
     bekanntgab? Ich bin sprachlos!«
    |193| »Mein Freund«, sagte Frau von Lichtenberg, indem sie aufstand, »nun haben Sie wohl genug zu grübeln. Setzen Sie sich bequem
     in meinen Sessel und sehen Sie: Ich habe Ihre Waffel auf
meinen
Teller gelegt (dabei lächelte sie). Es gibt also keinen Grund mehr, sie nicht zu essen. Ich ziehe mich jetzt in mein Zimmer
     zurück, dahin dürfen Sie mir folgen, sobald Sie gesättigt sind und Ihre liebenswürdige Laune wiederhaben.«
    * * *
    Am nächsten Tag stellte ich mich in den königlichen Gemächern ein, indem ich einen Knopf meines Wamses ungeknöpft ließ. Das
     war keine Nachlässigkeit, es war eine Sprache. Es sollte heißen, daß ich über etwas informiert war, was ich dem König mitzuteilen
     hatte. Als er trotzdem eine Zeitlang weder ein Auge auf mich warf noch das Wort an mich richtete, fragte ich mich, ob er mein
     Signal überhaupt bemerkt hatte, doch beruhigte ich mich bei dem Gedanken daran, wie genau Ludwig immer alle und alles wahrnahm,
     auch wenn er nichts zu sehen schien. Und tatsächlich sagte er nach einer Stunde zu Monsieur de Souvré, er wolle Madame besuchen.
     Sein Erzieher stimmte sofort zu, und Ludwig fragte mich: »Monsieur de Siorac, wollt Ihr mich begleiten?«
    »Sire, ich wäre entzückt.«
    Sowie der König die Große Galerie betrat, hielt ich den Augenblick zu sprechen für gekommen, aber da Ludwig sich nicht wie
     sonst umwandte, mich dazu aufzufordern, warf ich einen Blick über meine Schulter und sah, daß uns in geringem Abstand Monsieur
     de Blainville folgte, zweifellos auf Anweisung von Monsieur de Souvré. Daraus schloß ich, daß der König entweder nicht wollte,
     daß Blainville meine Worte aus Leichtsinn weitersagte, oder daß er ihn verdächtigte, wie seine Amme Doundoun ein Spion der
     Königin zu sein. Und ich nahm mir vor, diesen Edelmann künftig genauer zu beobachten.
    Madame war ein Jahr jünger als ihr ältester Bruder, der damals zehn Jahre und vier Monate alt war. Recht gewachsen für ihr
     Alter und ein bißchen pummelig, war sie niedlich anzusehen, blond, blauäugig, zwei Grübchen in den Winkeln des

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