Königskind
auf.«
Und kaum hatte Blainville kehrtgemacht, sagte der König in seinem spielerischen Ton zu Madame: »Und Ihr, Elisabeth, müßt jetzt
in Eurem Kabinett den Tisch für meine drei kleinen Edelleute decken.«
Madame machte einen Knicks und lief emsig aus der Küche. Ich staunte, wie geschickt und schnell Ludwig sich der Zeugen entledigt
hatte.
»Sioac
?«
sagte er, die Brauen hebend, und ohne meine Worte abzuwarten, begann er, mit großem Spektakel die Küche aufzuräumen.
»Sire«, sagte ich leise, »gestern wurde im Großen Rat Eure Vermählung verkündet.«
»Ich weiß.«
»Und auch die von Madame.«
»Madame wird verheiratet?« fragte er erregt. »Und mit wem?« fuhr er fort, indem er mich anblickte.
»Mit dem Infanten Philippe, dem künftigen König von Spanien.«
»Soll die Hochzeit von Madame und mir gemeinsam stattfinden?«
»Ja, Sire.«
»Wann?«
»Das Datum steht noch nicht fest, Sire. Wahrscheinlich wartet man, bis Ihr volljährig seid.«
»Und wann bin ich volljährig?«
|199| »Sire, hat man Euch das nicht gesagt? In Frankreich wird ein König laut einer Verordnung Karls V. volljährig mit dem vollendeten
dreizehnten Lebensjahr. Das heißt für Eure Majestät Ende September 1614.«
Ludwig setzte sich auf einen Schemel und verharrte eine Zeitlang stumm, mit vorgebeugtem Kopf, gesenkten Augen. Bei seinem
schwermütigen Ausdruck sagte ich mir, daß er wohl bezweifelte, nach seiner Volljährigkeit mit dreizehn Jahren mehr Macht im
Staat zu haben als jetzt. Ich täuschte mich. Als er endlich sprach, zeigte sich, daß ihn eine ganz andere Frage quälte.
»Sioac
«,
sagte er, »wenn Madame mit dem Infanten Philipp von Spanien verheiratet ist, kann ich sie dann noch besuchen?«
»Nein, Sire, das wird nicht möglich sein. Der König von Frankreich kann die Grenzen seines Reiches nur an der Spitze eines
Heeres überschreiten. Und das gilt ebenso in umgekehrter Richtung für den Infanten Philipp und seine Gemahlin.«
»Also«, sagte Ludwig nach einer Weile, »wenn Madame die Pyrenäen einmal überquert hat, ist sie für mich verloren?«
»Ich fürchte es, Sire, Ihr könnt Ihr nur schreiben, und sie Euch.«
»Ach, Briefe! Briefe!« sagte Ludwig mit tief betrübter Miene und zuckte mit den Schultern.
* * *
Schöne Leserin, Sie dürfen aber nicht glauben, Ludwig habe über all den Traurigkeiten, wenn er die mütterliche Bevormundung
zu stark verspürte, seinen schalkhaften Sinn eingebüßt. Und weil das Vorausgegangene nicht eben heiter ist, will ich Ihnen
eine Episode erzählen, die Sie hoffentlich ergötzt.
Als Ludwig einmal die Gemächer der Königin betrat, fand er seine Mutter matt zu Bette liegen und sich endlos gegen einen Abführtrank
sträuben, den ihr ärztliches Personal ihr in einem Silberbecher darbot: ein Anblick, der ihn an all die Prügeltrachten erinnern
mußte, die er auf mütterliches Geheiß erhalten hatte, wenn er Héroards bittere Gebräue nicht schlucken wollte. Aber obwohl
die Schrecken seiner Mutter ihm schon einige Genugtuung bereiten mochten, ließ er es dabei nicht bewenden. Wie ein Soldat
ging er zum Angriff über, |200| indem er sich vor das Bett stellte und rief: »Auf, auf, Madame! Trinkt nur, trinkt! Nur Mut, Madame! Nur Mut!«
Und während er sprach, näherte er sich dem Nachttisch, auf dem er Bonbons liegen sah, und langte verstohlen danach. »Trinkt,
trinkt, Madame! Immer mutig! Ihr müßt nur den Mund weit aufmachen und alles hinuntergießen!« Und er hörte mit seinen mannhaften
Reden nicht auf, bis die Königin getrunken und er sich die Taschen mit Süßem gestopft hatte.
Nie spielte Ludwig soviel mit seinen Soldaten wie in diesem ausgehenden August, und obwohl er sich hütete, seine Feinde je
zu benennen, erriet ich unschwer, daß er heiß beschäftigt war, den Krieg seines Vaters gegen Spanien zu gewinnen, der durch
Ravaillacs Messer abgebrochen worden war. Nie schlief er auch schlechter. Ich wußte es von Doktor Héroard, dem geduldigen
Opfer der königlichen Schlaflosigkeiten, denn um seinen Schützling besorgt wie eine liebende Mutter, erwachte er instinktiv,
sowie Ludwig des Nachts die Augen aufschlug.
Am sechsundzwanzigsten August herrschte im Louvre eine Hitze, daß ich mich am liebsten in Hemdsärmeln beim König eingestellt
hätte. Leider konnte davon keine Rede sein. Und ein jeder schwitzte in seinem Wams vor sich hin, auch wenn er keine Zehe rührte,
es troff einem vom Gesicht wie aus den Achseln, ohne
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