Königskind
Bassompierre stieß, der gerade aus ihrem Hause kam und seinen Wagen, eine der elegantesten
Karossen von Paris, bestieg. Ich war darüber tief beschämt und außerdem ziemlich eifersüchtig, daß der begehrteste Herr des
Hofes von meiner Schönen empfangen worden war, obwohl ich genau wußte, daß beide seit langem befreundet waren und ohne jeden
Schatten eines Verdachts, weil meine Gräfin sich niemals zu den Lerchen herabgelassen hätte, die diesem Fänger auf den Leim
gingen.
|190| »Nanu, Chevalier!« sagte Bassompierre, der meine Verlegenheit spürte und mich arglos ein bißchen aufziehen wollte, »wo habt
Ihr denn Eure edle Fuchsstute? Und wo die frischgemalte Karosse Eures Vaters, daß Ihr als Erster Kammerherr in einem so glanzlosen
Kasten bei Damen vorfahrt? Die rachitischen Gäule da würden glatt umfallen, wenn die Deichseln sie nicht hielten!«
»Monseigneur«, sagte der Kutscher, »bitte, schimpft meine armen Tiere nicht. Sind sie auch nicht fett, kriegen sie doch mehr
zu fressen als ich.«
»Wenn es so ist, Kutscher«, sagte Bassompierre, indem er ihm einen Ecu zuwarf, »magst du hiermit ihre und deine Ration aufbessern.«
Woraufhin mir in meiner Beschämung nichts anderes übrigblieb, als seinem Ecu einen weiteren hinzuzufügen, was meine Laune
auch nicht hob, dafür aber die des Kutschers.
»Zu dem Preis, Ihr Herren«, sagte er mit einer Verbeugung bis aufs Pflaster, »könnt Ihr meine Mähren von morgens bis abends
beschimpfen, ohne daß ich protestiere.«
»Alsdann, schöner Neffe«, sagte Bassompierre, indem er den Stiefel auf seinen Kutschentritt setzte, »eilt an Euren Platz.
Ich hätte mir ja etwas vorzuwerfen, hielte ich Euch länger auf, da ich sehe, wie Ihr vor Ungeduld stampft, zu Eurer Deutschstunde
zu kommen.«
Hiermit umarmte er mich, warf sich in seine Seidenpolster, und ein Diener in goldbetreßter Livree schloß mit der Feierlichkeit
eines Bischofs hinter ihm den Schlag.
Leider fand ich meine Gräfin nicht in ihrem Zimmer, sondern im kleinen Kabinett und ganz beschäftigt, sich eine Waffel zu
bestreichen. Zum Teufel! dachte ich, während ich ihr die Hand küßte, zum Teufel mit diesem ewigen Imbiß! Wieviel Zeit soll
der mir noch abzwacken?
»Mein Freund, was ist Ihnen?« fragte die Gräfin. »Sie machen eine so verdrossene Miene, ist Ihnen nicht wohl in Ihrer Haut?«
»Ach, ich bin wütend, Madame«, sagte ich. »Zuerst zieht mich Bassompierre mit meiner Mietdroschke auf, und was sehe ich hier?
Zwei Teller, und den einen voller Krümel! Was beweist: Sie haben ihm eine Waffel gestrichen!«
»Wäre es Ihnen lieber, wir hätten etwas anderes getan?« |191| fragte sie mit einem so vergnügten kleinen Lachen, daß es mich entzückt hätte, wäre ich besserer Stimmung gewesen. »Hören
Sie auf, Pierre«, fuhr sie fort, »setzen Sie sich und denken Sie bitte nach: Sie haben keinen Grund, auf Bassompierre eifersüchtig
zu sein, vielmehr ist er es auf Sie!«
»Er auf mich? Ist er das wirklich?« fragte ich verdutzt, indem ich mich nicht in den Lehnstuhl setzte, den zweifellos Bassompierre
innegehabt hatte, sondern zu Füßen meiner Schönen auf einen Schemel.
»Allerdings! Zwar nicht, weil er mich liebte, aber es verletzt seine Eitelkeit, Sie da zu sehen, wo er gern wäre … Trotzdem
mag er Sie sehr, und zu meiner Rückkehr nach Paris hat er Ihnen wie mir sehr geholfen.«
»Aber wissen Sie«, sagte ich, »was er sich unterstand? Ich stampfte vor Ungeduld, sagte er, zu meiner Deutschstunde zu kommen!
Er hat sich über mich mokiert!«
»Über mich auch«, sagte sie lächelnd, »denn ich wartete nicht minder ungeduldig, daß er Ihnen seinen Platz räume. Und obwohl
ich es ihm nicht gezeigt habe, hat er als Frauenkenner das gespürt. Also, mein Pierre, maulen Sie nicht mehr. Essen Sie diese
Waffel und trinken Sie einen Becher Wein. Das wird Ihnen guttun.«
Die Waffel lehnte ich ab aus Furcht, sie würde sie mir auf Bassompierres Teller reichen – was mir ein Graus gewesen wäre –,
aber den Rheinwein nahm ich in der Hoffnung, er werde den Knoten in meiner Kehle lösen. Was er auch tat.
»Madame«, sagte ich ein wenig besänftigt, »erlauben Sie mir, zu fragen, um was Ihre Unterhaltung sich drehte?«
»Mit Bassompierre? Ist das nicht ein bißchen vorwitzig, Monsieur?« sagte sie, und in ihren schönen schwarzen Augen funkelte
es verschmitzt.
»Wenn es Sie stört, Madame, ziehe ich die Frage zurück«, sagte ich verstockt.
»Die
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