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Königskinder (German Edition)

Königskinder (German Edition)

Titel: Königskinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Fischer
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Niemand weiß, was das zu bedeuten hat. Ebenso unverständlich ist, warum alle ihre Hände mit den Handflächen nach oben vorweisen müssen. Vielleicht um zu prüfen, ob sie etwas Gefährliches bei sich tragen? Allen Internierten werden die Fingerabdrücke abgenommen, sie werden fotografiert, und jeder erhält ein Certificate of Registration mit seiner Internierungsnummer, die er sich um den Hals hängen muss. Erich erhält die Nummer 54323. Es dauert Stunden, aber eine optimistische Stimmung breitet sich aus. Die meisten haben sich mit ihrem unfreiwilligen Reiseziel abgefunden und sind neugierig auf Australien. Endlich werden sie wieder wie Menschen behandelt, und an Bord gibt es erstmals seit Freetown Süßwasserduschen.
    In Fremantle sind einige Zeitungen älteren Datums an Bord gelangt, die von den Soldaten freimütig verteilt werden. Die Nachrichten kreisen um die Battle of Britain und die Verhandlungen mit den USA, im Tausch gegen Marinestützpunkte fünfzig Zerstörer zur Verfügung zu stellen. Die Internierten erfahren, dass auch australische Jagdflieger an der Schlacht um England teilnehmen und die australische Marine im Mittelmeer gegen die italienische Marine kämpft.
    Am dritten September gleitet die Dunera über das reglose Wasser der Bucht von Melbourne an Australiens Südspitze und geht am Prince’s Pier vor Anker. Die Soldaten haben eine mit Latten und Stacheldraht abgesicherte Einfriedung gebaut, sodass die Internierten das Schauspiel der Landung vom Deck aus verfolgen können. Nun hat die Reise ein Ende, denken sie voller Sehnsucht. Doch stattdessen nimmt der Major wieder in seinem improvisierten Büro Platz und liest Namen von einer Liste ab. Die genannten Personen sollen sich bereithalten und gemeinsam mit den Italienern und den Überlebenden der Arandora Star zum Abtransport von Bord gehen.
    Der Hafen von Melbourne ist bis auf den letzten Liegeplatz besetzt. Polizisten mit weißen Tellermützen überwachen den Landeplatz. Auf der angelegten Gangway nehmen zu beiden Seiten Soldaten der Dunera -Wachmannschaft Aufstellung. An Land gehen 251 Deutsche und Österreicher der Kategorie A, die die britische Regierung ihrer politischen Gesinnung wegen als gefährlich oder potenziell gefährlich eingestuft hat, vierundneunzig Deutsche mit «zweifelhafter» politischer Gesinnung und zweihundert Italiener, die meisten von ihnen Überlebende der Arandora Star . Vorneweg marschieren die Nazis und Seeleute. Dahinter die Italiener und hinter ihnen die Politischen, die es anscheinend besonders eilig haben, das Schiff zu verlassen. Ehe sie in Richtung Lagerhalle verschwinden, drehen sie sich noch einmal um. Der junge Südtiroler winkt ihnen zu und grinst. Wird man sich jemals wiedersehen?
    «Werden die froh sei, dass sie es geschafft haben», sagt Otto. «Und wir?»
    Drei Decks sind nun verwaist, das Schiff wirkt beinahe leer. Nach zwanzig Stunden legt die Dunera wieder ab. Bald schwenkt sie in den Pazifischen Ozean, dem vierten Meer seit der Abreise.
    Noch drei Tage bei kühleren Temperaturen. Die Männer kramen ihre zerknitterten Mäntel hervor. Die Bullaugen sind geöffnet. Das Schiff segelt die Ostküste Australiens entlang, die mit ihren goldenen Stränden, den Städtchen und Farmen einen einladenden Eindruck hinterlässt. Die See bleibt weiterhin ruhig. Nachts werfen Leuchttürme ihr Licht auf die nun endlich angstfrei schlafenden Männer, wie um sie in diesem fernen Kontinent willkommen zu heißen.
    Am sechsten September herrscht schon um fünf Uhr früh Gedränge in den Waschräumen. Um zehn Uhr bietet sich ein Panorama von atemberaubender Schönheit. Vorbei an unzähligen kleinen Buchten mit weiß schimmernden Sandstränden, Villen, hübschen Einfamilienhäusern und üppigen Gärten gleitet das Schiff in die Sydney Harbour Bay. Und dann wie auf einer Ansichtskarte vor dem strahlend blauen Himmel: der elegant geschwungene Stahlbogen der Sydney Harbour Bridge, das Wahrzeichen der Stadt. Um 11:25 Uhr unterquert die Dunera die Brücke, und alle verrenken die Köpfe, um das berühmte Wunder der Technik von unten zu bestaunen. Auf der anderen Seite wird das Schiff an seinen Liegeplatz am Wharf 13 der Docks von Sydney getreidelt.
    Die Brücke, der Himmel, die Sonne, das Grün, die Strandvillen und die glitzernde Silhouette der Stadt mit ihren Wolkenkratzern sind nach siebenundfünfzig Tagen auf See, nach siebenundfünfzig Tagen bedrückender Enge, Gestank und Schmutz, so erschütternd schön anzusehen, dass

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