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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Umhängetasche. Struppi ließ es sich gefallen. Er biss nicht, quiekte nicht und zappelte kaum. Ich interpretierte das natürlich als sein stilles Einverständnis; wahrscheinlich war er aber einfach zu geschockt.
    Ich lief die Runde zurück und stand keine vier Minuten später wieder vor meiner Mutter.
    »So, Saraswati. Jetzt haben wir auch die Schwarzen Berge gesehen«, sagte sie.
    »Ja, toll«, strahlte ich und hielt mit der einen Hand so unauffällig wie möglich meinen Jutebeutel fest, in dem Struppi nun doch leicht zu randalieren begann.
    Auf dem Weg zu unserem VW-Bus simulierte ich einen Hustenanfall nach dem anderen, um das immer schriller werdende Quieken meiner Schweinegeisel zu übertönen. Doch als wir dann in den VW-Bus gestiegen waren und meine Mutter schon zu überlegen begann, ob sie mit mir zu einem Krankenhaus fahren sollte, weil solch ein plötzlicher und exzessiver Husten ja nun wirklich nicht normal sei, flog meine Aktion doch noch auf.
    »Was stinkt denn hier so?«, fragte Mama.
    Ich kurbelte blitzschnell die Scheibe herunter und beschloss, all meine Würde aufzugeben. »Ich hab mir in die Hose gemacht«, behauptete ich. Doch während ich das sagte, quiekte Struppi plötzlich laut los. Meine Mutter sah erst mich und dann die Umhängetasche erstaunt an. Bevor ich es verhindern konnte, griff sie hinein – und schrie laut auf. Einer ihrer Finger blutete, da der verängstigte Struppi hineingebissen hatte, und die ganze Hand war eindrucksvoll mit Schweinedurchfall beschmiert, den man meinem panischen Schützling ja nun wirklich nicht vorwerfen konnte. Wie würdest du dich fühlen, wenn man dich plötzlich schnappen und in ein dunkles, schaukelndes Stoffgefängnis stopfen würde? Ich kenne dich nicht, aber ich wette, du würdest dich auch vollscheißen vor Angst! Struppi wusste ja nicht, dass ich ihm nur helfen wollte.
    »Simone!«, rief meine Mutter entsetzt. »Was hast du jetzt schon wieder angestellt?«
    Ich antwortete nicht, sondern riss die Wagentür auf und rannte los. Man würde mir Struppi nicht wegnehmen! Ich musste ihn retten! Ich liebte ihn, und er brauchte mich!
    Ich rannte über den Parkplatz auf eine Wiese und überlegte fieberhaft, wie ich mich so schnell wie möglich nach Übersee absetzen konnte, oder nach China. Oder nach Taka-Tuka-Land. Meine Mutter, die nicht besonders sportlich war, folgte mir schnaufend. Und dann hörte ich plötzlich eine laute Männerstimme, die rief: »Da! Das ist sie! Die Kleine in dem bunten Kleid!« Ich wandte meinen Kopf beim Laufen in die Richtung, aus der die Stimme kam, und sah drei Männer, die auf mich zueilten. Einer von ihnen trug die Uniform der Parkwächter. Man musste mich bei meiner selbstlosen Rettungsaktion beobachtet haben. Ich rannte weiter, so schnell ich konnte, während der arme Struppi in der Tasche, die mir um die Schulter hing, hin und her geschleudert wurde, hysterisch quiekte und inzwischen wahrscheinlich von oben bis unten in seinen eigenen Exkrementen mariniert war.
    Ich hatte keine Chance: die Männer waren schnell. Auch meine Mutter, die mit einigem Abstand hinter ihnen herrannte, bewies erstaunliche Ausdauer. Doch dann entdeckte ich einen Hochstand. Ich sprintete darauf zu, kletterte eilig die Leiter hinauf und verschanzte mich dort oben. Nicht einmal eine Minute später waren die drei Männer da.
    »Mädchen!«, rief einer von ihnen, der aussah wie ein Familienvater, der hier einen eher langweiligen Tag mit seinen Kindern verbringen musste und nun heilfroh war, sich als gesetzestreuer Staatsbürger aufspielen zu können. »Komm runter! Du kannst nicht einfach ein Tier mitnehmen!«
    Struppi quiekte. Ich weiß nicht, ob er den Männern zustimmte oder ihnen so etwas wie ein schweinisches »Verpisst euch!« zurief.
    »Ich muss ihn retten!«, rief ich kieksend und außer Atem.
    »Wovor musst du ihn retten?«, fragte der Mann in Uniform. Seine Stimme hatte einen erstaunlich milden und freundlichen Tonfall. »Glaubst du, dass ihm hier jemand etwas tut?«
    »Niemand hat ihn lieb!«, antwortete ich.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte der Mann.
    »Das sieht man doch!«, erklärte ich patzig.
    In diesem Moment traf auch meine Mutter am Hochstand ein. Sie rief zu mir hoch: »Saraswati, Schätzchen! Komm runter!«
    Ich begann zu weinen.
    »Den Tieren geht’s hier gut! Vertrau uns!«, sagte der Parkwächter.
    »Wir können doch kein Hängebauchschwein großziehen«, sagte meine Mutter. »Und das Schweinchen gehört zu seiner Familie,

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