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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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waren schon ziemlich weit. Den Coffeeshop schien der Rohrbruch nicht zu betreffen. In den Colonaden, einer eng bebauten Straße im Herzen der Stadt, führten sicher viele Rohre in viele Richtungen. Rohre, wie Menschen, wählten nicht immer den kürzesten Weg von A nach B.
    Ich beobachtete die Arbeit der drei Tiefbauamts-Angestellten, und wünschte mir, zu meiner Kinderzeit hätte es schon Bob, der Bauarbeiter gegeben. Das wäre garantiert meine Lieblingssendung gewesen.
    Während ich die schwitzenden Männer beobachtete, wurde mir von all der aufgeschäumten Milch in meinem Bauch und dem Ärger über das unverschämte Nichterscheinen meiner Anti-Frau langsam übel. Nach achtzig Minuten vergeblichen Wartens erhob ich mich schließlich und ging nach Hause. Ich ärgerte mich, dass ich überhaupt so lange ausgeharrt hatte.
    Es war eine idiotische Idee gewesen!
    Zu Hause angekommen, fuhr ich sofort meinen Computer hoch und löschte meinen Couplebank -Account.
     
    Ich mache mir nichts mehr vor: Man kann das Glück nicht anschieben oder drängeln. Man kann das Schicksal nicht nötigen. Die Dinge sind einfach so, wie sie sind! Ich werde die Liebe irgendwann finden. Oder auch nicht.
     
    Und damit endet mein langer Bericht. Nicht mit einem Paukenschlag, einer großen Erkenntnis oder Erleuchtung. Ohne Happy End, ohne dramatischen Schlussakkord, ohne Schicksalsschlag. Ich lebe mein Leben einfach weiter. So wie alle Menschen das tun.
    Habe ich durch diesen Bericht jetzt etwas über mich selbst gelernt?
    Tja. Eher nicht.
    Oder doch. Vielleicht dies: Man kann logisch und leidenschaftlich zugleich sein, ein Träumer und Realist zu identischen Teilen. Und manchmal ist Zufriedenheit alles, womit man rechnen sollte. Wahres Glück bleibt offenbar ein Luxus für wenige Auserwählte. Und die wenigen Glücklichen werden vom Zufall ausgewählt. Es bringt nichts, sich wie ein Streber in der Schule ständig wild wedelnd in Richtung Seligkeit zu melden oder sich wie ein Arschloch in der Schicksals-Warteschlange vorzudrängeln. Das Glück folgt keinen Regeln. Und weil man nicht weiß, wo es lauert, kann man auch nicht wissentlich darauf zusteuern.
    Vielleicht war ich bloß einfach nie zur rechten Zeit am rechten Ort?
    Was soll’s.
    Mir geht’s ja gut.
    Also: weitermachen.
    *
    So ein Arschloch! Ich war so etwas von stinksauer! Über eine Stunde saß ich in diesem verkackten Coffeeshop und wartete auf diesen Newton31 -Heini – und er kam einfach nicht! Was für eine Arroganz! Wahrscheinlich hatte er sich bloß einen Witz daraus gemacht, alle möglichen Couplebank -Frauen anzuschreiben und dann zu versetzen. Oder er hatte mich reinkommen sehen, mit meinen Monster-Ohrringen, meinem Asienrock, meinen kleinen Hüftröllchen und meinen Fältchen um die Augen, und gedacht: »O Gott, was ist denn das für eine welke Trulla?« Und dann hat er ganz schnell und heimlich sein beschissenes Sozialkundedingsbumsklugscheißerbuch in die Tasche gesteckt und sich verkrümelt.
    Dabei hatte ich beim Reinkommen in den Balzac -Coffeeshop noch ein gutes Gefühl! Der Laden war total leer, was mich ein bisschen verwirrte, aber dann lieferte eine Kellnerin die Erklärung: »Wir hatten zwei Stunden lang kein Wasser. Die haben es gerade eben erst repariert. Was hätten Sie denn gern?«
    Ich bestellte einen Chai-Tee und setzte mich in einen der Ohrensessel. Vor dem Fenster stand ein Lastwagen des Tiefbauamtes. Ich konnte keine Arbeiter sehen; die mussten auf der anderen Seite des Wagens zugange sein. Wahrscheinlich noch mit der letzten Schweißnaht am Rohr beschäftigt.
    Ich trank den Chai-Tee und schaute neugierig in Richtung der Eingangstür. Ich war drei Minuten zu früh. Gleich würde er kommen, dachte ich. Ich war wohlig aufgeregt. Ich fand es unerklärlich spannend, dieses Rendezvous. Weil es so absurd und verrückt war, fand ich es sogar romantisch. Irgendeine Stimme in mir sagte mir entgegen aller Logik, dass ich an diesem Tag tatsächlich den Mann meines Lebens finden würde. Ich war da irgendwie richtig überzeugt von.
    Zuerst kam so ein Typ mit Vokuhila-Frisur und einem Hawaiihemd. Manche Leute sehen echt aus, als wären sie direkt aus einer Pro7-Comedyshow ins wahre Leben gestolpert. Ich war total erleichtert, dass er mich nicht ansprach. Aber ich hätte mit ihm geredet. Ein Date ist eben ein Date.
    Der Laden füllte sich immer mehr, doch niemand kümmerte sich um mich und meine Riesenohrringe. Niemand hatte irgendein Buch dabei, das mir ein Signal gab.

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