Königskinder
die, auf die ich vorbereitet war – denn nach den zu erwartenden Punkten wie Größe, Aussehen und Hobbys ging es seitenlang ans Eingemachte:
Sortierst du deine Familien- und Urlaubsfotos sorgfältig in Alben ein oder stapeln sie sich wild in irgendwelchen Kartons?
Ich besaß nicht viele Bilder, die ich ordnen könnte. Aber wäre ich eher ein Album- oder ein Kartonmensch? Früher: eindeutig Karton. Heute: eher Album.
Welche Saraswati war die, die ich hier verkörpern wollte?
Was darf in einer Wohnung nicht fehlen: Bücher? Pflanzen? Stereoanlage? Fernseher? Mannsgroßer Spiegel? Mikrowelle? Solarium? Fitnessgerät? Sortiere diese Dinge nach der Reihenfolge der Wichtigkeit, die sie für dich haben.
Zuerst dachte ich, diese Frage wäre einfach: Ganz oben rangieren bei mir die Stereoanlage und Bücher, ganz unten Mikrowelle, Fitnessgeräte und das Solarium.
Andererseits: Wollen Männer bleiche, untrainierte Leseratten? Wie ehrlich durfte man hier sein, ohne sich automatisch ins Abseits zu manövrieren?
Würdest du im Notfall die Zahnbürste deines Partners benutzen oder lieber auf das Zähneputzen verzichten?
Bin ich eine hygienetechnische Schlampe oder eine zimperliche Zicke?
Denkst du manchmal wehmütig an früher oder konzentrierst du dich lieber auf die Zukunft?
Musste ich mich wirklich auf das »oder« in der Frage einlassen? Konnte ich nicht beides für mich in Anspruch nehmen? Wählte ich die Wege, die ich noch gehen würde, nicht nach den Erfahrungen aus, die ich auf meinen früheren Wanderungen gemacht hatte?
Ich schrieb und schrieb und schrieb. Manchmal antwortete ich mehrfach auf eine Frage – wie es mir zuerst einfiel, dann schnell noch einmal in der Art, von der ich dachte, dass sie attraktiver wirken könnte, und so weiter.
Irgendwann sah ich die erlösende Frage vor mir aufblinken:
Senden?
Klick.
Gesendet!
*
Vierzehn Dates hatte ich inzwischen absolviert. Da war ich hartnäckig.
Ich habe mich schon vor einigen Monaten bei der Internet-Partnerbörse Couplebank angemeldet, nachdem ich deren Konzept als plausibel und vielversprechend eingestuft hatte. (Außerdem lag Jennifer mir deswegen immer wieder in den Ohren. Ein Bruder irgendeiner Freundin von ihr hatte davon geschwärmt. »Und du bist doch so … na ja, allein und so.« Und das wäre, fand Jennifer, voll Dose . (Was so viel wie schade hieß.)
Warum ich nach all den Bar-Besuchen, Zufallsbekanntschaften und »Ich habe da eine Freundin, die du unbedingt kennenlernen musst!«-Arrangements nun ausgerechnet auf das anonyme Internet setzte? Nun, das Couplebank -Prinzip machte einfach mathematischen Sinn.
Ich habe mich in den letzten Jahren verstärkt mit Sozialphysik beschäftigt; mein altindischer Stadtkern war fertig und ich brauchte ein neues Betätigungsfeld. Die Sozialphysik geht von der Annahme aus, dass alles menschliche Verhalten letztlich mathematisch fundiert ist und dass es Schemata und rechnerische Zwangsläufigkeiten gibt, denen wir Homo sapiens alle unbewusst folgen. So wie Menschen in einer rappelvollen Einkaufszone am Samstag automatisch zwei Geh-Spuren bilden, in denen sie sich in die eine oder andere Richtung bewegen, so folgen wir auch im Leben stets unsichtbaren Wegen und Mustern. Die Idee, aufgrund vieler gut durchdachter Fragen Menschen aufzuspüren, die auf dieselben Schemata und Muster reagierten wie man selbst, die quasi auf derselben Spur durchs Leben gehen, scheint mir Sinn zu machen.
Ich gab also bei Couplebank meine Antworten ein und konnte nun alle gemeldeten Frauen-Profile danach durchsuchen, wie hoch die prozentuale Kompatibilität zu mir war. Was mir außerdem gefiel war die Tatsache, dass man das Aussehen des anderen nicht kannte. Man konnte zwar theoretisch Bilder voneinander austauschen, doch das wollte ich nicht. Ich wollte meine Meinung über und meine Erwartungshaltung an die jeweilige Frau nicht von solchen Profanitäten wie dem Äußeren abhängig machen. Und ich wollte auch nicht nach meinem Äußeren ausgesucht werden. Obwohl ich mich durchaus sehen lassen kann, sage ich mal ganz unbescheiden. Ich habe vor drei Jahren angefangen, Marathon und Triathlon zu machen und mir ganz schöne Muckis antrainiert. Frauen flirteten seitdem verstärkt mit mir. Unbewusst suchen weibliche Wesen offenbar immer noch nach einem Kerl, der effektiv die Keule schwingen kann, falls ein Säbelzahntiger auftaucht. Doch ich hege mehr Hoffnung auf eine echte, tiefe Beziehung, auf die wahre Liebe, wenn die
Weitere Kostenlose Bücher