Königsklingen (First Law - Band 3)
Feierlaune. Statt lächelnder Mädchen sah man nun finster dreinblickende Männer, statt frischer Blumen alte Waffen. Stangenwaffen ragten überall in allen Winkeln aus der Menge hervor wie ein ungebärdiger Wald, Spitzen und Schneiden schimmerten. Piken und Mistgabeln, Hackmesser und Bootshaken, Besen, von denen man das Reisig heruntergenommen und durch an den Stiel genagelte Messer ersetzt hatte.
Ein kleines Häuflein Königstreuer war um ein paar schielende Stadtwächter, einige aufgeblasene Händler mit Lederwesten und polierten Schwertern sowie gebeugte Arbeiter mit uralten Flachbogen und hartem Gesichtsausdruck ergänzt worden. Etwas Besseres war nicht zu haben gewesen. Die Männer wurden von Bürgern beider Geschlechter und aller Altersgruppen begleitet, die sich zufällig hier eingefunden hatten und mit einer erstaunlichen Vielfalt nicht zusammenpassender Rüstungen und Waffen ausgestattet waren. Oder mit gar nichts. Es war schwer zu sagen, wer Soldat und wer Bürger war, wenn es überhaupt noch einen Unterschied zwischen ihnen gab. Sie alle sahen Jezal an, als er abstieg und seine goldenen Sporen klirrten.
Sahen ihm zu
, wie er bemerkte, als er zwischen ihnen dahinschritt und seine gut bewaffnete Leibwache ihm rasselnd folgte.
»Sind dies die Verteidiger dieses Bezirks?«, fragte Jezal leise Lord Marschall Varuz, der sich ein wenig hinter ihm hielt.
»Einige von ihnen, Euer Majestät. Begleitet von einsatzwilligen Stadtbewohnern. Ein bewegender Anblick.«
Jezal hätte den bewegenden Anblick herzlich gern für leistungsfähigere Soldaten eingetauscht, aber er vermutete, dass ein Anführer gegenüber seinen Leuten stets einen unbezwingbaren Eindruck erwecken sollte. Das hatte Bayaz ihm so oft eingeschärft. Musste das nicht auch in doppeltem, wenn nicht gar dreifachem Maße für einen König im Angesicht seiner Untertanen gelten? Zumal für einen König, dessen Griff um die erst kürzlich erworbene Krone bestenfalls als locker bezeichnet werden konnte.
Daher ging er aufrecht, reckte das vernarbte Kinn so hoch, wie er sich traute, und schwang den goldbestickten Mantel mit seiner behandschuhten Linken zur Seite. Er schritt durch die Menge mit jenem selbstbewussten Gang, der ihm schon immer eigen gewesen war. Eine Hand ruhte auf dem juwelenbesetzten Knauf seines Degens, und er hoffte bei jedem Schritt inbrünstig, dass niemand einen Schimmer der Untiefen von Angst und Zweifel hinter seinen Augen wahrnahm. Die Menge begann zu raunen, als er vorüberging, und Varuz und Bayaz eilten hinter ihm her. Einige deuteten Verbeugungen an, andere gaben sich keinerlei Mühe, auch nur den Anschein zu erwecken.
»Der König!«
»Ich dachte, er wäre größer ...«
»Jezal der Bastard.« Jezal wandte hastig den Kopf, aber es war unmöglich festzustellen, wer es war, der das gerade geäußert hatte.
»Das ist Luthar!«
»Ein großes Hurra für Seine Majestät!« Es folgte ein halbherziges Brummeln.
»Hier entlang«, sagte ein blassgesichtiger Offizier vor dem Tor und deutete entschuldigend auf eine Treppe. Jezal stieg mit klirrenden Sporen empor, mannhaft immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Als er auf den Wehrgang des Torhauses trat, verzog er missbilligend den Mund. Dort stand niemand anderer als sein alter Freund Superior Glokta, gebeugt auf seinen Stock gestützt und wie immer ekelhaft zahnlos grinsend.
»Euer Majestät«, schnarrte er verächtlich und mit unüberhörbarer Ironie. »Welch eine beinahe überwältigende Ehre.« Er deutete mit seinem Stock zur Brüstung auf der anderen Seite. »Die Gurkhisen befinden sich in dieser Richtung.«
Jezal formulierte im Geiste bereits eine angemessen giftige Erwiderung, während seine Augen Gloktas Stock folgten. Er blinzelte, und die Muskeln seines Gesichts erschlafften. Wortlos ging er an dem Krüppel vorbei. Sein vernarbter Kiefer klappte allmählich herunter, und der Mund blieb ihm offen stehen.
»Der Feind«, grollte Varuz. Jezal versuchte sich vorzustellen, was Neunfinger-Logen angesichts des Anblicks gesagt hätte, der sich nun zu seinen Füßen bot.
»Ach du Scheiße.«
Auf dem Flickenteppich der feuchten Felder, auf den Straßen und zwischen den Hecken, zwischen den Höfen und Dörfern und den wenigen Baumgruppen vor den Stadtmauern wimmelten Tausende gurkhisischer Soldaten. Die breite, gepflasterte Straße nach Keln, die sich in südlicher Richtung durch flaches Ackerland wand, war ein einziger wogender, schimmernder Fluss marschierender Männer.
Weitere Kostenlose Bücher