Koenigsmoerder
Gespräch hatte ihn weiter über die Grenzen der Stadt hinausgeführt, als er je in seinem Leben gekommen war.
»Gar könnte vom Alter her mein eigener Sohn sein«, fuhr Lord Jarralt mit einem beinahe sehnsüchtigen Tonfall fort. »So habe ich ihn immer betrachtet. Und wie jeder andere Vater mache ich mir Sorgen. Ich stelle mir eine Unzahl von Gefahren vor, die ihm jederzeit drohen könnten.« Sein Blick flackerte. Eine Warnung oder eine Aufforderung?
Willer holte tief Luft, um sein dröhnendes Herz zu beruhigen. »Ihr denkt, der König ist in Gefahr, Mylord?«
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Jarralt ließ den Vorhang wieder fallen. »Was denkt Ihr?«
Willer starrte ihn an. »Ich... ich weiß es nicht.«
»Ich denke, Ihr wisst es sehr wohl. Ihr habt es selbst gesagt. Eine Schlange an seinem Busen.«
»Ja... das habe ich gesagt...« Er runzelte die Stirn. »Aber Asher hat ihm in Westjammer das Leben gerettet.«
Lord Jarralt lächelte. »Zumindest hat man uns das erzählt.«
»Ich nehme an«, meinte Willer langsam, »die Geschichte könnte auf Unwahrheit beruhen. Schließlich haben wir nur Ashers Wort. Auf die Erinnerung des Königs kann man sich nicht verlassen, denn er stand in diesem Moment kurz vor dem Ertrinken. Und die Wahrheit ist ein Spiegel, nicht wahr? Was man darin sieht, hängt stark davon ab, wer hineinschaut, nicht wahr?«
Lord Jarralt seufzte. »Ich bin ein schlichter Mann, Willer. Verschwörungen und Rätsel und hinterhältige Intrigen sind meinem Wesen fremd. Daher gestattet mir, mit schlichten Worten zu sprechen, in der Hoffnung, dass Ihr anschließend das Gleiche tun werdet.«
»Das werde ich, Herr.«
»Schlicht gesprochen, ich fürchte, dass Asher einen unziemlichen Einfluss auf den König hat. Ich fürchte, seine Majestät ist übertölpelt worden. Man hat ihn glauben gemacht, der Rüpel sei harmlos. Im Gegenteil, er ist voller Hass. Er bringt den Doranen, Barls eigenem Volk, nur Verachtung entgegen. Und jetzt, da seine Macht im Königreich ihren Gipfel erreicht hat, fürchte ich, dass er sie miss-brauchen wird, um unseren sanften, vertrauensvollen neuen König zu seinen eigenen Zwecken zu manipulieren.«
»Zu welchen Zwecken, Mylord?«, fragte er zitternd.
Lord Jarralt zuckte die Achseln. »Was ist der Ehrgeiz eines jeden giftigen Unkrauts?«
Die Frage schien alle Luft aus dem Inneren der Kutsche zu ziehen, sodass Willer Mühe hatte weiterzuatmen. Ihm war heiß und kalt zur gleichen Zeit, und Mut und Angst stritten in seiner Brust. »Es will den Garten übernehmen«, flüsterte er.
»Genau.«
»Aber, Mylord...«, wandte Willer gequält ein. »Wir haben keinen Beweis.«
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»Was ist ein Beweis anderes, mein Freund, als ein Hauch von Farbe, den Narren benötigen, die nicht sehen, dass ein ungetünchtes Haus immer noch ein Haus ist?«
»Ich weiß... ich weiß... Aber ohne einen Beweis wird Seine Majestät uns niemals glauben.«
»Das ist wahr«, gab Lord Jarralt zu. »Also müssen wir einen Beweis finden. Oder sollte ich sagen, Ihr müsst ihn finden?«
Er lehnte sich zurück. »Ich, Mylord? Wie? Ich verfüge über keinerlei Magie, keinerlei Macht. Ich bin ein bloßer Olk, eine Speiche im Rad der königlichen Kutsche, ich...«
Lord Jarralt lächelte. »Willer, Willer... stellt Euer Licht nicht unter den Scheffel.
Ihr seid weit mehr als das. Ihr seid mutig. Weise. Hingebungsvoll. Und das Wichtigste, Ihr seid da. Innerhalb des königlichen Haushalts. Zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, um zu tun, was getan werden muss. Um den Beweis zu finden, der unseren lieben König vor diesem monströsen Olk retten wird. Ich weiß, es wird schwierig und sogar quälend werden, aber Ihr müsst Euren Stolz bezähmen. Schluckt Euren Widerwillen gegen Asher herunter, verbergt Eure gerechte Verachtung für ihn, und haltet Euch so weit wie möglich in seiner Nähe, um seine Taten zu beobachten. Könnt Ihr das tun, mein Freund? Sagt mir, dass Ihr es könnt. Sagt mir, dass ich Euer nobles Wesen nicht falsch einschätze, ebenso wenig wie Eure Entschlossenheit, ungeachtet des persönlichen Preises zu tun, was Recht ist.«
Er konnte kaum atmen. »Ihr irrt Euch nicht in mir, Herr, das schwöre ich!«
»Ihr werdet mir und mir allein jede Entdeckung, jeden Verdacht melden«, ermahnte Lord Jarralt ihn. »Niemand sonst darf erfahren, was wir vorhaben. Mit der Zeit wird Ashers wahres Wesen offenbar werden, daran zweifle ich nicht.
Aber für den Augenblick hat er den König ‐ tatsächlich das ganze Königreich
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