Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Können diese Augen lügen?

Können diese Augen lügen?

Titel: Können diese Augen lügen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Larkin
Vom Netzwerk:
ich sie, dabei schob ich sie auf die Umkleidekabinen zu. » Ich sichte den Rest und bringe dir die schönsten Stücke.«
    Ich schnappte mir sämtliche Nachthemden in Größe vier und reichte ihr eines nach dem anderen über die Tür hinweg in die Kabine. Die Hemden waren winzig. Ich hielt mir eines vor dem Spiegel an. An mir sah es aus wie ein Puppenkleid. Aber Janies Taille entsprach ja auch ungefähr dem Umfang meines Oberschenkels. Wir waren aus sehr verschiedenem Holz geschnitzt. Im Vergleich zu normal gebauten Frauen lag ich im Durchschnitt– vielleicht ein bisschen groß geraten, und es konnte mir nichts schaden, ein paar Pfund abzunehmen–, aber neben Janie glich ich einer Amazone. Wo sie schmal war, wies ich üppige Kurven auf, und ich überragte ihre knapp eins sechzig um ein gutes Stück. Als wäre das nicht schon schlimm genug, hatte sie auch die nervtötende Angewohnheit, Ballerinas zu tragen. Sie wusste nicht, wie es war, wenn man ständig den Drang verspürte, seine Körpergröße herunterzuspielen; sie kokettierte vielmehr mit ihrer kleinen, zierlichen Figur. Janie gehörte zu dem Typ Frau, der einen Kartoffelsack trägt und ihn wie Haute Couture aussehen lassen kann. An mir wäre das Ding einfach ein Kartoffelsack. Außerdem wäre er mir entschieden zu kurz und würde so stark über meinem Busen spannen, dass es unanständig wirken würde.
    Es hatte eine kurze Zeitspanne gegeben, wo mich all das nicht sonderlich gestört hatte. Janie war gebaut wie ein zwölfjähriger Junge, ich hingegen war körperlich früh entwickelt. In der Highschool liefen die Jungen, die sie keines zweiten Blickes gewürdigt hätten, mir wie hechelnde Hunde hinterher, aber jetzt wirkte sie nicht mehr mager und knochig, sondern zart wie eine Elfe. Ihr Haar wies einen perfekten kastanienbraunen Schimmer auf. Meines war so jettschwarz, dass es im falschen Licht fast blau glänzte. Im Sommer nahm Janies Haut nach ein paar Stunden in der Sonne einen leichten Goldton an, wohingegen man bei mir zusehen konnte, wie ich mich bronzebraun einfärbte. War ich nicht mit Janie zusammen, kam ich mir ganz normal vor, fand mich manchmal sogar hübsch. Aber neben ihr gelangte ich unwillkürlich zu dem Schluss, dass meine Ohren zu groß, meine Nase zu rund und meine Hände zu männlich geraten waren, und ich konnte nicht umhin zu registrieren, wie meine Oberschenkel beim Gehen gegeneinanderschlugen. Seit Peter Janie nicht nur eines zweiten, sondern noch vieler Blicke mehr würdigte, war alles noch viel schlimmer geworden.
    Janie liebäugelte mit einem weißen Satinnachthemd mit hohem Kragen und einem Rückenteil aus kreuzförmig verlaufenden Bändern, ich suchte ihr dazu noch einen roten Satinslip mit schwarzem Spitzenbesatz aus.
    » Neeiin! Das ist doch nichts für eine Hochzeitsnacht!« Janie versuchte, sich mit den Armen zu bedecken, als ich den Kopf in die Kabine steckte. Sie sah umwerfend aus, und sie wusste es. Mit ihrem locker aufgesteckten dunklen Haar und der blassen Haut, die von dem kräftigen Rot des Slips vorteilhaft betont wurde, wirkte sie majestätisch und ein bisschen liederlich zugleich. Natürlich gab sie sofort nach; sie benutzte mich als Vorwand, einmal etwas Gewagtes zu tun.
    » Da du vermutlich keine Ruhe gibst, bis ich ihn nehme, nehme ich ihn am besten gleich«, seufzte sie und schüttelte den Kopf, als wäre sie ärgerlich, obwohl sie dabei grinste.
    Ich fragte mich, ob in der Hölle eine besondere Ecke für eifersüchtige Brautjungfern reserviert war.
    Als ich das Castle on the Hudson erreichte, schmetterte ich aus voller Kehle ›Rock an’ Roll Band ‹ , verstummte aber, als ich vor dem Eingang hielt. Ich schaltete das Radio aus, drückte dem Mann vom Parkservice Normys Schlüssel in die Hand und hievte den braunen Karton vom Beifahrersitz. Niemand machte Anstalten, ihn mir abzunehmen, als ich durch die Halle auf den Fahrstuhl zuging. Meine Absätze klickten auf dem Marmorboden, und einer der orangefarbenen Handschuhe fiel mir aus der Tasche. Ein Page eilte diensteifrig herbei, um ihn mir aufzuheben, was ihm einen giftigen Blick des Portiers eintrug. Ich konnte es ihm nicht verdenken; ich musste in meinem grellorangefarbenen Satin und dem falschen Pelz wie ein billiges Flittchen wirken. Ich atmete tief durch und flüchtete mich so schnell wie möglich in den Fahrstuhl.
    Nachdem ich die Zimmertür hinter mir geschlossen hatte, riss ich hastig den Karton auf, denn ich wollte diese leidige Angelegenheit nicht unnötig

Weitere Kostenlose Bücher