Köpfe für Carlita
Arrancha.«
»Interessant.«
»Für den Maler schon.«
»Und jetzt auch für uns.«
Sahnas lächelte mich an. »Soll das eben eine Frage gewesen sein, oder war es eine Feststellung?«
»Das überlasse ich Ihnen, Antonio. Schließlich haben Sie mich hergeführt.«
»Stimmt.«
»Ein privater Besuch.«
»Das ist auch richtig. Ich wollte damit einen unkonventionellen Weg einschlagen.« Er gab sich etwas verlegen. »Hätte ich die Kollegen eingeweiht, die hätten mich für verrückt gehalten.«
»Davon einmal abgesehen, ich weiß aber auch nicht, worauf Sie hinauswollen. Oder sind Sie der Ansicht, daß wir hier die gesuchte Mörderin gefunden haben?«
Ich hatte keine konkrete Antwort erwartet und bekam auch nur eine Frage. »Was meinen Sie denn?«
»Wenn ich diesen Gedanken weiter verfolgen würde, dann müßte ich sagen, daß diese Frau plötzlich aus dem Bild steigt und wieder auf Mördertour geht. Oder?«
Er ließ sich Zeit.
»Ja, so ähnlich schon.«
»Was soll ich tun?«
»Ihren Gefühlen nachgehen. In sich hineinhorchen. Ich habe mich zuvor über Sie erkundigt, John, ich weiß etwas, aber nicht viel aus Ihrem beruflichen Leben. Sie sind der Mensch, der gewissen Dingen sehr objektiv gegenübersteht und auch das Ungewöhnliche nicht ausschließt. Deshalb habe ich mich an Sie gewandt, um auch Ihre Meinung hören zu können. Bei einem anderen Kollegen hätte ich das nie gewagt, aber das habe ich Ihnen schon alles gesagt.«
»Mörderin«, murmelte ich. »Wenn es so ist, wie Sie gemeint haben, dann müßte diese Person, diese gemalte Köpferin, ja in der Lage sein, aus dem Bild klettern zu können. Sie müßte lebendig werden.« Ich hatte ihn bei dieser Antwort angeschaut und wartete auf eine Reaktion.
Antonio Sahnas sagte zunächst nichts. Er starrte nur auf seine Fußspitzen und hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was in dieser Welt möglich ist und was nicht. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn so etwas geschähe.«
»Ist das Ihre Lösung?«
»Eine unwahrscheinliche, wie?«
»Das gebe ich zu.«
»Haben Sie schon mit solchen Dingen zu tun gehabt? Mit lebenden Bildern?«
»Ja.«
Die Antwort hatte ihn geschockt oder erschreckt, denn er zuckte zusammen und blieb zunächst stumm. Es dauerte eine Weile, bis er die Sprache wiedergefunden hatte. Dann wies er auf das Bild und fragte mich: »Können Sie denn so etwas testen? Ich meine, können Sie herausfinden, ob etwas Unheimliches darin steckt?«
»Sie meinen, ob die Frau nicht nur eine gemalte Person ist, sondern echt, wie auch immer?«
»Ja.«
Er hatte sich erleichtert angehört, wie jemand, der sich in der eigenen Meinung bestätigt fühlte. Dann schaute er zu, wie ich mein Kreuz hervorholte. Es war der alte Test, denn es stimmte. Ich hatte schon des öfteren mit dämonischen Bildern zu tun gehabt und auch erlebt, daß die Motive nicht so tot waren, wie sie auf den Betrachter wirkten.
Das Kreuz schimmerte in meiner Hand. Es erwärmte sich nicht, als ich mich dem Bild näherte, den Arm ausstreckte und dann mit dem Kreuz über die Leinwand hinwegfuhr.
Keine Reaktion!
Kein Aufblitzen. Keine Veränderung am Motiv des Bildes. Nichts bewegte sich. Die Kopfjägerin blieb ebenso starr wie die neben ihr liegenden Erschlagenen.
Ich drehte mich wieder um und sah den Schweiß auf dem Gesicht meines Kollegen. »Und?«
»Nichts.«
»Was meinen Sie damit?«
»Daß ich keinen anderen Einfluß gespürt habe. Keine Magie, wenn Sie verstehen.«
»Wie hätte es ausgesehen, wenn es anders gewesen wäre?«
Ich hob die Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Ob diese Person nun aus dem Bild gestiegen wäre oder nicht, ich weiß es nicht. Ich möchte es auch nicht behaupten und…«
Es mußte passieren. Es hätte auch nicht anders sein können. Was nun geschah, das hatte mit dem Gemälde nichts zu tun, denn das Handy meines spanischen Kollegen meldete sich, und beide schraken wir leicht zusammen, denn daran hatten wir nicht gedacht.
Der Kollege entschuldigte sich, bevor er sich meldete und etwas zur Seite ging. Ich ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Obwohl er nichts sagte und ich nur auf sein Gesicht achtete, wußte ich Bescheid, daß er keine gute Nachricht erhalten hatte, denn er war plötzlich sehr bleich geworden, schluckte, räusperte sich und flüsterte eine Antwort, die ich ebenfalls nicht verstand. Er hörte wieder zu, bejahte einige Male die gestellten Fragen und steckte das Handy wieder weg. Dann rieb er über sein rechtes Auge, als er auf mich
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