Köpfe für Carlita
zukam.
»Was ist los?«
Sahnas hob die Schultern. »Es sind keine sechs Leichen mehr, John. Es sind sieben geworden.«
»Bitte?«
»Die siebte Leiche wurde an den Strand geschwemmt. – Ein Junge hat sie gefunden. Die Wellen trugen den Torso vor seine Füße. Tut mir leid.«
»Das braucht Ihnen nicht leid zu tun. Jedenfalls wissen wir, daß die Kopfjägerin wieder unterwegs ist.«
»Das stimmt.«
»Aber nicht sie«, sagte ich und deutete auf das Bild. »Oder sind Sie noch immer der Ansicht?«
»Nein, wohl eher nicht.« Er deutete auf das Gemälde. »Ich glaube, wir können es vergessen.«
Der Ansicht war ich auch. Ich fragte mich mittlerweile, warum mich der Mann hier in das Museum gebracht hatte, aber ich behielt die Worte zunächst für mich und stellte statt dessen eine andere Frage. »Müssen Sie nicht zum Fundort der Leiche, Antonio?«
»Nein, das übernehmen die Kollegen der Sonderkommission. Ich bin ja nicht der einzige.«
»Vielleicht sollte ich mir den Toten anschauen. Weiß man schon, wie er heißt und…?«
»Noch nicht. Die Untersuchung steht noch bevor. Man hat mich nur benachrichtigt.« Er schaute wieder auf das Bild und sah danach mich an, Skepsis im Blick.
»Was denken Sie, Antonio?«
Sein Lächeln fiel mager aus. »Ich versuche soeben, mich in Ihren Gedankengang hineinzuversetzen.«
»Oh, das ist ungewöhnlich.«
»Nein, finde ich nicht. Sie werden sich fragen, weshalb ich Sie in dieses Museum geschleppt habe?«
»Das allerdings. Kompliment. Bisher haben wir nichts erreichen können. Das gebe ich gern zu.«
»Es geht auch nur indirekt um dieses Gemälde, weil andere Dinge wichtiger sind.« Sahnas ließ sich Zeit und kratzte mit dem Nagel des rechten Zeigefingers über seine Stirn. »Das Bild ist natürlich außergewöhnlich. Jeder gibt es zu. Besonders fällt die Frau auf, aber ich selbst sehe sie nicht als einzigartig an.«
»Sondern?«
»Haben Sie den Namen behalten?« fragte er mich.
»Sicher.«
»Gut, Sie brauchen ihn nicht zu wiederholen. Ich kenne jemanden, der so ähnlich heißt. Da stimmt der Vorname mit der Frau auf dem Bild überein, nämlich Carlita, aber der Nachname der Frau, von der ich sprach, lautet Moreno.«
»Aber diese Person ist kein Gemälde…«
»Nein, nein.« Schon wild schüttelte Sahnas den Kopf. »Das ist sie auf keinen Fall. Sie lebt hier in der Nähe. In einem prächtigen Haus oben auf den Klippen. Sie ist eine attraktive und noch junge Witwe. Sie hatte einen gewissen Moreno geheiratet.« Er atmete tief durch. »Wenn Sie diese Person jedoch sehen, John, dann werden Sie große Augen bekommen.«
»Warum?«
Antonio Sahnas deutete auf das Bild.
»Weil Carlita Moreno mit dieser Köpferin Carlita de los Arrancha identisch ist.« Er hob die Schultern. »Oder fast.«
Ich schwieg, weil ich so überrascht war. Noch einmal schaute ich mir das Bild an. Gut, ich kannte nur sie, und ich mußte dem Kollegen glauben.
Es hätte mich auch gewundert, wenn er mir nur dieses Bild hätte zeigen wollen.
»Was denken Sie jetzt, John?«
»Gute Frage.« Ich ging bei meinen Worten auf und ab. »Ist das auch Ihre private Meinung gewesen?«
»Das denke ich.«
»Davon wissen die Kollegen…?«
»Nein, nichts.«
»Aber Sie kennen diese Carlita Moreno und haben auch schon mit ihr gesprochen?«
»Natürlich.«
»Welchen Eindruck hat sie auf Sie gemacht?«
»Sie ist eine wunderschöne Frau. Ein Vollweib. Jemand, dem die Leidenschaft in den Augen steht. Ich war wie von den Beinen geschlagen, als ich sie sah.«
»Wie gut kennen Sie die Person?«
»Nicht besonders.«
»Aber Sie halten die Moreno durchaus für eine Mörderin, sage ich mal.«
Er wand sich. »Ob sie es ist«, brachte er schließlich hervor, »kann ich Ihnen nicht sagen, aber ich möchte wirklich alle Spuren genau verfolgen. Ich will nichts auslassen. Diese Ähnlichkeit ist beeindruckend.« Er wies wieder auf das Bild. »Für mich ist diese Person dort keine Legende. Sie hat damals gelebt, und Carlita Moreno lebt heute. Da muß es über Jahrhunderte hinweg eine Verbindung geben oder gegeben haben. Auch wenn ich keine Einzelheiten weiß, aber ich gehe davon aus.«
»Wie lange kennen Sie die Person schon?«
»Einige Wochen.«
»Gut, Antonio. Und wie sind Sie auf sie gekommen? War es nur ein Zufall? Oder geschah dies im Laufe der Ermittlungen?«
»Mehr Zufall. Ich war eingeladen, und auf diesem Fest habe ich sie gesehen. Das Bild kannte ich schon länger. Ich war geschockt, als ich die frappierende
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