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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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aufsteigende Wut machte mich schlagartig wach. Eine böse Ahnung stieg noch heißer auf als meine Wut. Dann schoss mir die Angst den Nacken hoch und veranstaltete ein hitzige Grillparty in meinen Hirnwindungen. Was war, wenn ich nicht mehr auf die Zwischenebene kam?! Diese Frage hämmerte in meinem Kopf und schuf ein Echo unter meinem Schädeldach, so stark, dass ich Kopfschmerzen davon bekam.
    Wie um alles in der Welt sollte ich bei der scheußlichen Vorstellung von Tanjas Händen auf dem Körper eines anderen Mannes entspannt auf die Zwischenebene gelangen? Panisch versuchte ich es. Aber ich hatte kein Zutrauen mehr zu mir selbst, wie ein Hochseilartist, der schon einmal gestürzt war und sich alle Knochen gebrochen hatte.
    Ich verfluchte mich selbst, dass ich unbedingt Tanja hatte sehen wollen. Und ich verfluchte diese kleine, geile Ratte, die mich dazu angestiftet hatte! Wenn man immer nur seinem Trieb folgte, dann kam man bestimmt nicht da an, wo der Kopf hin wollte! Ich wurde richtig unruhig, ungehalten – panisch!
    Dann flammte über mir mein Holo-Flat-Pad auf und ich wusste nur zu gut, was ich zu erwarten hatte. »Gooooood morning!«, donnerte es mir da auch schon entgegen. Das war jetzt wirklich das Allerletzte, was ich brauchte!
    Unter seiner Anleitung fing das Bett an, sich zu bewegen, um mich in Form zu bringen. Wenn ich mich auch sonst gerne zusammenfalten, verdrehen und auseinanderfalten ließ, heute hasste ich dieses Programm inbrünstig. Denn ich wollte nur so schnell wie möglich versuchen, wieder auf die Zwischenebene zu gelangen. Einfach nur versuchen, immer wieder versuchen, ob es noch klappte. Gerade so, als wolle ich einen Lichtschalter ein zweites Mal drücken, um zu sehen, dass das Licht tatsächlich noch angeht.
    Aber das Gymnastikprogramm und das Bett hatten mich fest im Griff. Es gab kein Entkommen. Und das war gut so, die Bewegung lenkte mich ein wenig ab, sodass ich mich mit der Zeit beruhigte. Ablenkung war eben tatsächlich oft der beste Weg zum Ziel, genau wie Sunny mir damals versichert hatte. Ich dachte an die Münze, die ich von Ronald bekommen hatte und sah ihr im Geiste zu, wie sie von rechts nach links und von links nach rechts über meine Fingerknöchel rollte.
    Ohne diese innere Einkehr hätte ich das folgende Resozialisierungsprogramm wahrscheinlich nicht überstanden. Aber so sehr ich mich auch bemühte, weder in der Mittagspause noch am Abend gelang es mir, auf die Zwischenebene zu gelangen. Ich war frustriert, ständig sah ich Tanjas Hände über einen fremden Rücken streichen.
    Das ging über eine Woche so und ich steigerte mich regelrecht in dieses Bild hinein, sodass ich bald den ganzen Tag an nichts anderes mehr denken konnte. »Wie war das noch mal mit dem weißen Elefanten? Denken Sie die nächsten fünf Minuten auf keinen Fall an einen weißen Elefanten!« Ich hatte mich in dieser Schlaufe festgefahren, hatte mich in ihr verfangen und war auf dem besten Wege, mich damit zu strangulieren.

Blechvogel
    Weder Doktor Gregor, noch Daniel oder gar Mosquito hatten großes Aufheben wegen der Rückkehr von Herrn Neuner gemacht. Es gab keine salbungsvolle Rede, dass er nun wieder in unsere Mitte zurückgekehrt war und wir ihm alle eine gute Besserung und schnelle Heilung wünschten. Er war heimlich, still und leise wieder an seinen Platz geschoben worden. Gerade so als wäre nichts geschehen …
    Eigenartig fand ich das schon, aber vielleicht wollte man den Vorfall einfach so schnell wie möglich vergessen. Und vielleicht glaubte man, dass Herr Neuner dies auch so schnell wie möglich vergessen würde, wenn man ihn nicht daran erinnerte. Wer weiß, vielleicht hätte das mit etwas Glück funktionieren können. Aber das Glück hatte es schwer, wenn Mosquito in der Nähe war.
    Es war Freitag und wie an jedem Freitag war das Ausmisten angesagt. Brötchen und Mosquito kamen mit ihren Servicewägelchen und machten den üblichen Boxenstopp . Aufbocken, Ölwechsel, waschen und polieren. Daniel ging immer noch sehr vorsichtig mit mir um, redete in unbeobachtet geglaubten Momenten leise auf mich ein und berichtete über seine Fortschritte, auf die er mächtig stolz war. Ich schloss dann immer mit besonderem Nachdruck meine Augen, um ihm zu sagen, dass ich ebenfalls stolz auf ihn war.
    Er hatte Nr. 2 , meinen indischen Nachbarn, fertig gepampert, als er zu Mosquito sagte: »Ich bin hier fertig, heute bist Du mit Herrn Öger dran!«
    »Jaja, ich weiß, ich darf heute den Mittleren Osten

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