Körper-Haft (German Edition)
Zack – schon da!«
Ich hörte, wie sich aus der Ferne ein Auto näherte. Es war ein sehr ruhiges Wohngebiet, aber wenn schon ein einzelnes Auto auffiel, dann musste es wirklich schon sehr spät sein. Ich sah am Haus empor. Alle Fenster, auch die von Tanjas Wohnung, waren dunkel. Ein paar Häuser weiter warf ein Fernseher sein unnatürliches Flackern auf den Gehsteig.
Das Geräusch des Autos näherte sich weiterhin, bis ich es als das leise Nageln eines modernen Diesels erkennen konnte. Dann tasteten sich zwei Scheinwerfer von der nahe gelegenen Kreuzung um die Ecke und blendeten in meine Richtung. Das Auto, ein Taxi, wie ich an dem Dachschild erkennen konnte, fuhr langsam auf mich zu und hielt schließlich so dicht vor mir, dass die Scheinwerfer nicht mehr blendeten und ich ins Innere des Wagens sehen konnte. Lediglich der Schein einer Straßenlaterne gab einen reflektierenden Klecks auf der Frontscheibe. Gerade so, dass ich den Fahrer nicht erkennen konnte. Der Beifahrersitz war leer. Aber zwischen den Sitzen bewegten sich Hände, die dem Fahrer einen Geldschein hinstreckten.
Der Fahrer machte sich nicht die Mühe, die hinteren Türen aufzumachen. Das war inzwischen selbst bei einem guten Trinkgeld nicht mehr drin. Taxifahrer betrachteten anscheinend Kunden nur dann als solche, wenn sie im eigenen Taxi saßen und noch nicht bezahlt hatten. Bewegten sie sich außerhalb, dann waren sie nicht etwa potentielle Kunden, sondern einfach nur Freiwild, das man auch, ohne mit der Wimper zu zucken, überfahren konnte, ja sogar durfte! Man wird ja nicht umsonst Taxifahrer!
Die rechte Hintertür schwang auf. Als Erstes sah ich im Gegenlicht der regennassen Straße einen glänzend schwarzen Schuh mit halbhohem Absatz. Dem Schuh folgte ein schlankes Bein, das mit einer schwarzen Strumpfhose bekleidet war. Und dann schwang sich der ganze Rest von ihr auf die Absätze. Der ganze Rest von Tanja! Ich konnte es nicht fassen! Ausgerechnet jetzt hier zu sein, während sie heimkam!
Dem ersten Impuls folgend, wollte ich auf sie zulaufen und sie umarmen. Ich hatte bereits die ersten Schritte hinter mir, als ich realisierte, dass meine Arme einfach nur durch sie hindurchgehen würden. Das Gefühl ihrer Nähe und Wärme, nach dem ich mich so gesehnt hatte, würde zerplatzen wie eine kalte Seifenblase! Und nur ein schauriges Frösteln hinterlassen. Aber wenn ich sie zumindest berühren konnte, würde sie wissen, dass ich unschuldig war und mich vielleicht im Gefängnis besuchen …«
Auch dieser Gedanke zerplatzte wie eine Seifenblase, als die andere Hintertür des Taxis zugeschlagen wurde. Ein braunhaariger Mann, Mitte dreißig, stand plötzlich neben dem Taxi. Er ging auf Tanja zu und meinte: »Stell Dir vor, der Typ hat doch glatt behauptet, er kann auf einen Fünfziger nicht die Hälfte rausgeben!«
»Und was hast Du gemacht?!«
»Ich hab den Fünfziger in der Mitte zerrissen und ihm gesagt, er soll ihn bei der Bank eintauschen!« Er war inzwischen zu ihr gelaufen und legte den Arm um sie.
»Du hast was?!«
»Ich hab den Schein zerrissen!«
Sie kicherte los. »Das ist nicht Dein Ernst?!«
»Doch!«
Sie schloss bereits die Haustür auf. »Und er hat tatsächlich den halben Schein angenommen?« Dann waren sie im Haus verschwunden. Von innen hörte ich noch ihr gedämpftes Lachen.
Er schien ein einfallsreiches Kerlchen zu sein und ich hätte ihn unter anderen Umständen als sympathisch eingestuft. Aber dass er seinen Arm mehr als vertraulich um ihre Schultern gelegt hatte, fand ich deutlich mehr als unsympathisch. Natürlich hatte sie schon während der Gerichtsverhandlung mit mir Schluss gemacht, aber dennoch schnürte es mir die Brust zusammen, das mit ansehen zu müssen.
Das Taxi war in einer stinkenden Feinstaubwolke davongebraust und ließ mich allein auf der regennassen Straße zurück. Die Straßenbeleuchtung schüttete matt ihr Licht über mich aus, ohne die Dunkelheit vertreiben zu können.
Oben in der Wohnung von Tanja ging das Licht an. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihnen zu folgen, aber es gab Dinge im Leben, die man besser nicht wusste … besser nicht sah … Meine Brust war wie von einem Korsett zugeschnürt. Ich hatte einen dicken, trockenen Kloß im Hals, und all meine Euphorie über meinen erfolgreichen Freigang war verflogen. Ich wollte nur noch heim. Heim in meinen Körper …
Daheim
Der Wunsch war mir Befehl und im nächsten Augenblick spürte ich meinen richtigen Körper um mich herum. Ich fühlte
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