Körper-Haft (German Edition)
stürzten sie zu Boden. »Ich zeig Ihnen gleich ein wenig Abwechslung!«
Eines der Blechmonster hüpfte hilflos auf dem Boden herum, bis es unter dem Schuh von Doktor Gregor zermalmt wurde. Mit einem lauten »Poing« hüpfte die Sprungfeder heraus und rollte unter eines der Betten.
»He, die waren teuer! Das sind Sammlerstücke!«, protestierte Mosquito.
»Dann hätten Sie ihre Spielsachen wohl besser zu Hause gelassen!« Doktor Gregor schnappte Mosquito grob am Oberarm und schleifte ihn zur Tür. Wie zufällig fiel ein weiterer Blechvogel den weißen Ärzteschuhen zum Opfer.
»He, das werden Sie noch bereuen!«
»Können Sie Gedanken lesen? Das wollte ich gerade zu Ihnen sagen!« Er zog Mosquito grob nach draußen und schloss die Tür.
Kurz darauf kam Daniel herein und redete beruhigend auf uns ein. »Es wird alles gut!« Er ging schnell zum Fenster, warf die Brötchenreste in den Gefängnishof und schloss sowohl das Schutzgitter als auch die Fenster. Dann fegte er die Blechvögel, oder das, was von ihnen übrig geblieben war, zusammen und schüttete sie blechern rasselnd in den Abfalleimer.
Schließlich stand er mit hängenden Schultern vor uns und sagte: »Es tut mir wirklich leid. Sie können sicher sein, dass so etwas nicht noch einmal passieren wird!«
Dann straffte er die Schultern und ergänzte: »Doktor Gregor meinte, ich solle Ihnen etwas Beruhigungsmittel verabreichen, aber ich bin mir nicht sicher, ob Sie das auch selbst wollen. Als Alternative dazu habe ich auf Kanal 99 einen Film eingelegt, der wunderschöne Bilder einer Wiese in unterschiedlichen Jahreszeiten zeigt. Sie müssen das natürlich nicht ansehen, Sie können auch gerne etwas anderes zum Beruhigen einschalten oder die Kiste einfach auslassen. Und wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen auch gerne etwas Beruhigungsmittel. Ich gehe jetzt zu jedem Einzelnen von Ihnen. Wenn Sie zweimal kurz hintereinander blinzeln, gebe ich Ihnen etwas davon …«
Als Erstes ging er zu Herrn Neuner, der vor lauter Blinzeln gar nicht mehr fertig wurde. Er schien deutlich mehr als einmal »hier« zu schreien. Sein direkter Nachbar wollte ebenfalls etwas. Herr Öger starrte nur zur Decke und mein indischer Nachbar schaute sich die Blumenwiese an, eine Entscheidung, der ich mich anschloss.
Als Brötchen bei mir war, raunte er mir zu: »Ich gehe davon aus, dass er eine Abmahnung bekommt. Vielleicht fliegt er auch komplett raus. Verdient hätte er es ja! Ich hoffe, Sie haben keinen allzu großen Schreck bekommen.« Er drückte meinen Arm. »Schlafen Sie gut und wenn Sie etwas brauchen, melden Sie sich bitte.«
Spielwiese
Der Film, den Daniel ausgewählt hatte, war wirklich schön gemacht und zeigte das Wechselspiel der Jahreszeiten aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf einer Wiese mit plätscherndem Bächlein und einer schon fast kitschig anmutenden Flora und Fauna. Als das Frühjahr in den Sommer überging, erinnerte mich der Anblick an meine Zwischenebene, auf die ich seit dem Besuch bei Tanja nicht mehr gekommen war. Wie gerne hätte ich mich auf der Wiese ausgeruht! Einfach nur Daliegen, die Sonne auf der Haut spüren, dem Summen der Insekten lauschen …
Allein die Vorstellung hatte mich anscheinend schon so stark beruhigt, dass ich eingeschlafen war. In meinem Traum fand ich mich auf dem Rücken liegend auf der besagten Wiese wieder. Die Augen hatte ich immer noch geschlossen und traute mich erst gar nicht, sie zu öffnen. Vielleicht würde ich im nächsten Moment Tanjas Hände auf dem fremden Rücken sehen. Die Sonne schien leuchtend rot durch meine geschlossenen Augenlieder. Bis sie von etwas abgeschattet wurden.
Ich öffnete die Augen und sah gerade noch, wie ein Blechvogel mit gespreizten, quietschenden Flügeln in einer Wellenbewegung in Richtung Horizont flog und verschwand.
Dann schob sich ein ausgefranster Strohhut über mich. »Menschenskinder, Junge, hast Du eine Vorstellung, davon, wie schwer es ist, sich in Deine Träume zu schleichen? Das kostet mich jedes Mal ein paar Tage von meinem eigenen Leben!«
Verwundert rieb ich mir die Augen. »Du hast auch ein begrenztes Leben?«
»Klar, zumindest hier, in Deiner Welt. Außerdem solltest Du inzwischen gelernt haben, dass nichts für die Ewigkeit ist. Der gegenwärtige Augenblick ist das Maß aller Dinge!«
»Mag ja sein«, meinte ich. »Aber gegenwärtig komme ich nicht einmal mehr auf die Zwischenebene. Und wenn das das Maß aller Dinge ist, dann …«
Er unterbrach mich mit einer
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