Körper-Haft (German Edition)
Pfleger hinüber, der seinerseits unruhig umherschaute und mehrfach Anlauf nahm, etwas zu tun, nur um gleich darauf mitten in der Bewegung innezuhalten. In den Blicken, die er dem Professor zuwarf, glaubte ich neben Scheu auch eine Spur Hass zu erkennen. Nervös nestelte er an seinem Kittel herum und blätterte immer wieder in seinen Aufzeichnungen.
»Wollen Szie mir Ihre fachliche Meinung kundtun oder wollen Szie mich mit ihrem grobmotorischen Gefummel ausz der Ruhe bringen?«, fragte Professor Marquez scharf. »Wenn Sie etwas szinnvolles tun wollen, bringen Szie mir fünf Milligramm von dem grünen Szerum! «
»Ich dachte, das heißt nicht grünes Serum «, antwortete der Angesprochene in einem Anflug von Aufbegehren und beruflichem Suizid.
Die Stimme von Professor Marquez formte sich zu einer eisigkalten, scharfen Klinge. »Szie sind wohl heute unglaublich mutig oder ganz einfach nur dumm. Ich vermute aber, esz könnte auch eine Mischung ausz beidem szein. Ich habe nur deszhalb von einem grünen Szerum gesprochen, um mich auf ihr intellektuellesz und szprachlichesz Niveau zu begeben. Nicht, dasz Szie mir noch dasz Falsche bringen. Und Szie haben die Frechheit, mein Entgegenkommen alsz Schwäche auszulegen … Gehen Sie jetzt und holen Sie dasz Serum oder Szie werden mich kennenlernen …«
»Tut mir leid Herr Professor, ich wollte nicht …”, murmelte dieser kleinlaut, als ihn der Professor schon wieder unterbrach.
»Nun gehen Szie endlich und kommen Szie mir nicht mit Ihren faulen Auszreden, kommen Szie mir lieber mit dem Szerum – fünf Milligramm verstanden!«
Die hängenden Schultern des Assistenzarztes passten überhaupt nicht zum schnellen Schritt seiner Beine, die ihn aus dem Zimmer hinaustrugen. Kurz darauf kam der mit einer grünen Ampulle und einer Einwegspritze wieder. Nervös zitternd zog er die Spritze auf und hielt sie dem Professor hin.
»Ich glaube das Szpritzen übernehme ich am besten szelbst. Szo unsicher wie Szie szind, perforieren Szie Nr. 6 noch den ganzen Unterarm! Szie müßzen noch viel dazulernen!«
Der Professor setze die Spritze an und drückte Sie in die Armbeuge von Nr. 6 . »Szo das war’s, spätestens morgen dürfte er die Augen aufmachen. Halten Szie mich auf dem Laufenden, aber rufen Szie mich nicht an. Schreiben Szie mir eine E-Mail, dann können Szie sich ihre Wortwahl besszer überlegen und ich mußz mir nicht ihr Gesztammel anhören.«
Professor Marquez beendete seine Ausführungen mit einem Blick, der sagte: »Wenn Du jetzt noch ein Wörtchen sagst, dann beiß ich Dich!« Er drehte sich schwungvoll um, schritt mit wehendem weißen Kittel aus dem Zimmer und ließ den anderen Weißkittel zurück.
»Und dafür habe ich den Numerus Clausus erfüllt, Medizin studiert und im Accessment-Center mein fachliches Wissen unter Beweis gestellt! Nur um mich von so einem bornierten Arschloch rundmachen zu lassen. Hätte ich doch nur was Vernünftiges gelernt!« Ein tiefer Seufzer hob seine Schultern, bevor er niedergeschlagen aus dem Raum schlurfte.
Cocooning
Der Kerl tat mir leid. Er hatte auf mich einen netten Eindruck gemacht. Aber was helfen einem Nettigkeiten schon im Leben? Ein Freund von mir hatte einmal gesagt: »Siebenundneunzig Prozent der Menschheit besteht aus sozial denkenden Wesen. Die restlichen drei Prozent sind emotionslose Psychopaten, von denen wir uns, wie Schlachtvieh, führen und drangsalieren lassen.« Vielleicht hatte er gar nicht so unrecht – es lässt einen zumindest in dem Glauben zurück, das der Großteil der Menschheit nicht völlig verkommen ist. Wie immer stirbt die Hoffnung doch zuletzt …
Ich war gerade dabei, die Fernsehprogramme durchzustöbern, ob etwas Passendes für mich dabei sein könnte. Ich blieb an einem Yoga-Sender namens Body and Soul hängen. Für den Body konnte ich ja nicht besonders viel tun, aber vielleicht für meine Seele . Und damit meinte ich nicht mein persönliches Seelenheil!
Für den Körper blieb lediglich das wochentags verordnete Fitnessprogramm am frühen Morgen. Aber ich hatte mittlerweile herausgefunden, dass ich das Programm auch außerhalb der festgelegten Zeiten eigenständig aktivieren konnte. Zumindest außerhalb des werktäglichen Erziehungsprogramms. Ich konnte mir auch einzelne Bewegungsabläufe heraussuchen und auf eine Endlosschleife setzen. Wobei sich dies, wie ich sehr schnell merkte, nicht unbedingt empfahl, da sich aus der Bewegung des Bettes heraus der Ausschalter des Holo-Flat-Pads kaum
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