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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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Archäologen einen intellektuellen Anstrich geben und einen deutlich größeren Hang zum Exhibitionismus haben, was die Fundstücke betrifft. Aber war meine Situation schon so hoffnungslos, dass ich mich als Ausstellungsstück in einem Museum sehen sollte?
    »Luke, die Macht ist mit Dir!«, hörte ich eine Stimme in mir. Oder eher … hinter mir? Ich drehte mich um und sah meinen persönlichen Gott in einer Feinrippunterhose auf einer Apfelsinenkiste sitzen. Er stellte eine eingefallene, nackte Brust zur Schau und zupfte an seinen selbst gestrickten etwas zu großen, beigen Wollsocken herum. Am Bund waren sie schon so ausgeleiert, dass die Ränder lappig herunterhingen. Er hatte schon wieder ein Gänseblümchen zwischen den Zähnen und grinste mich breit an.
    »War ´n klasse Trick mit dem Verschwinden was?! Nur musste ich dabei die Hosen runterlassen, hihi. Aber ansonsten war’s einfach göttlich!«
    Dann verschwand er wieder und das Gänseblümchen, das gerade noch zwischen seinen grinsenden Zähnen steckte, trudelte langsam durch die Luft, bevor es auf der Apfelsinenkiste liegen blieb. Zum Glück ließ er dieses Mal nicht auch noch seine Feinrippunterhose zurück. Was sollte der ganze Schwachsinn! Wenn man schon einen persönlichen Gott hat, dann könnte er einem doch bitte auch helfen!
    »Hey Gott, wo bist Du, wenn ich Dich brauche!«, schrie ich aus meinem Grab heraus. Der Rand eines ausgefransten Strohhutes schob sich über seine Latzhose, die noch immer am Grabesrand hing. Sein braun gebranntes, von Lachfalten durchfurchtes Gesicht grinste zu mir herunter. Die Gänseblümchen zwischen seinen Zähnen schienen regelrecht nachzuwachsen … Er hatte zum Glück immer noch seine Feinrippunterhose und die selbst gestrickten Wollsocken an.
    Inzwischen hatte er jedoch ein Banjo um den Hals hängen, dass teilweise von seinem langen, grauen Rauschebart verdeckt wurde. Er zupfte die Saiten des Banjos und fing an einen Country-Song zu spielen. Dazu sang er:

    Where do you come from
    where do you go?
    Where do you come from
    Cotton-Eye-Joe?
    Hey!-hey!

    Während er auf dem rechten Bein hüpfte, drosch er mit der linken Ferse so stark im Rhythmus auf den Boden ein, dass sich ein großer Brocken lehmiger Erde vom Grabesrand löste und einen Teil meiner Schaufel verschüttete. Ganz in seiner Darbietung versunken, bearbeitete er den Boden weiterhin mit der Ferse. Mehr und mehr Erde bröckelte ab und fiel in das Grab, bis nur noch der Schaufelgriff zu sehen war. Dann hüpfte mein persönlicher Gott singend und tanzend aus meinem Sichtfeld und ich hörte ihn nur noch von Weitem singen.

    Where do you come from
    where do you go?
    Where do you come from
    Cotton-Eye-Joe?

    Was sollte das nun wieder? Fassungslos starrte ich auf den Erdhaufen, der die Schaufel fast verschlungen hatte. Ich musste hinaufsteigen, um sie überhaupt wieder herausziehen zu können. Als mir das unter zahlreichen nicht eben jugendfreien Flüchen gelungen war, verstand ich plötzlich. Gott hatte mir ein Zeichen gegeben! Ich stieß die Schaufel waagerecht vor mir in die feuchte Erde. Stück für Stück brach ich ganze Erdschollen heraus und ein Teil der darüber liegenden Erde brach herunter. Auf diese Art und Weise nagte ich mich in die Wand vor mir, während die herunterfallende Erde langsam eine Rampe unter mir bildete.
    Stück für Stück kam ich dem Himmel näher! Schwitzend und ächzend grub ich mich weiter. Es tat gut, die aufgestauten Aggressionen so positiv umzusetzen. Noch ein paar Hiebe mit der Schaufel und ich konnte über den Grabesgrand blicken. Der Schweiß rann mir brennend in die Augen, als ich mich endlich nach oben drücken und über die zusammengesunkene Latzhose schieben konnte.
    »Hey mach mir meinen Fummel nicht dreckig«, sagte Gott, der in seiner lappigen Feinrippunterhose auf einem umgestürzten Kreuz saß. Atemlos japsend ließ ich mich neben meinem Grab auf den Rücken fallen und schaute in den strahlend blauen Himmel. Dann schob sich das Gesicht mit dem Rauschebart meines persönlichen Gottes in mein Sichtfeld.
    »Mensch Junge, wieso machst Du Dir’s nur so schwer? Wieso bist Du nicht geflogen? Vorher ging’s doch auch! Sah übrigens witzig aus, wie Du mit Deinen Brustschwimmbewegungen am Himmel entlang herumgeflogen bist. Hat mir gefallen! Echt kreativ!«
    Dann grinste er mich wieder an und flog, einen leuchtend gelb-weißem Schweif aus Gänseblümchen hinter sich her ziehend, gen Himmel bis er verschwand. Myriaden von

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