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Koerper, Seele, Mensch

Koerper, Seele, Mensch

Titel: Koerper, Seele, Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Hontschik
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bisherigen ärztlichen Arbeit auf den entscheidenden Punkt gebracht worden war. Das Modell der Schulmedizin, das man mich gelehrt hatte, genügte mir für meine ärztliche Arbeit schon lange nicht mehr: der Mensch als eine triviale Ursache-Wirkungs-Maschine. Der Kranke hat ein defektes Teil in sich, das gefunden und ausgetauscht werden muß. Entsprechend hat die Medizin für Körper ohne Seelen Medikamente, Ersatzteile und Operationstechniken entwickelt, mit denen die maschinellen Defekte ausgeglichen oder repariert werden sollen. Die Medizin für Seelen ohne Körper dagegen findet immer neue Formen der Psychotherapie, mit denen seelische Konflikte, die zu Erkrankungen geführt haben, besser bewältigt werden könnten.
    Wo liegen die Grenzen des zweigliedrigen Modells vom Menschen als einer trivialen Maschine? Ein Plakat aus den zwanziger Jahren zeigt das eindrucksvoll: Der Mensch imponiert als eine große Fabrik, in der viele Unterfabriken mit ihren Maschinen zusammenarbeitenund die verschiedenen Produktionssysteme, die Atmung, die Verdauung, den Kreislauf usw. in Gang halten. Ein genauer Blick auf dieses Plakat zeigt aber, daß es auch die Grenzen des Modells abbildet; denn an allen wichtigenStellen im menschlichen Körper, an denen Entscheidungen getroffen werden müssen, zum Beispiel im Gehirn, sitzen Menschen – was sind das denn nun für Maschinen?

    Das triviale Modell krankt vor allem an seiner Zweigliedrigkeit, die besagt, daß auf eine bestimmte Ursache immer die gleiche Wirkung folgt; es ist also naheliegend, nach dem fehlenden dritten Glied zu suchen. Dieses dritte Glied erwächst aus der Überlegung, daß zwischen Ursache und Wirkung ein aktiver Prozeß eingeschaltet sein muß, der ein Lebewesen von einer technischen Maschine unterscheidet. Eine hungrige Katze wird einen Schmetterling jagen (und fressen), eine satte Katze wird einem Schmetterling dösend beim Flügelschlagen zuschauen oder ihn gar nicht erst zur Kenntnis nehmen. Die Befindlichkeitder Katze, in diesem Fall hungrig oder satt, entscheidet über ihre Reaktion: jagen oder weiterdösen. Zwischen Ursache und Wirkung schiebt sich der entscheidende Schritt, das dritte Glied in einem neuem nicht-trivialen Modell: der Vorgang der Bedeutungserteilung.
    Mit der Einführung der Bedeutungserteilung wechselt man implizit seine theoretische Basis. Während das zweigliedrige Modell eine immer gleiche Realität voraussetzt – sonst wären Ursache und Wirkung nicht derart unveränderbar miteinander verknüpft –, verläßt man mit dem dreigliedrigen Modell diese vermeintliche Sicherheit und muß sich damit abfinden, daß es eine solche Realität eigentlich gar nicht gibt. Damit ist jedes Lebewesen gezwungen, sich seine Lebenswelt, seine individuelle Umwelt, so zu konstruieren, daß es leben und überleben kann. Die Lebenskonstruktion einer Katze ist mit der einer Fledermaus oder eines Menschen nicht vergleichbar, und nicht einmal die Konstruktionen zweier Menschen sind deckungsgleich – jede ist individuell verschieden.
    Mit diesem Modell verläßt man die Weltanschauung des Objektiven, des Rationalismus und kommt zum sogenannten Konstruktivismus, zum Subjektiven, in dem Objektivität als unmöglich erkannt wird und jeder Organismus sich seine Realität ›konstruieren‹ muß. In unserem Zusammenhang bedeutet das, daß ein Patient dann nicht mehr offen ist, der Arzt ihn nicht wie ein Uhrmacher eine Uhr öffnen kann, sondern er stellt ein geschlossenes System dar, eine sogenannte Black Box. Im Gegenzug ist natürlich auch der Arzt eine solche Black Box, und daraus entsteht eine gewisse Schwierigkeit, denn man kann nie genau wissen, was in einer Black Box ›wirklich‹ vor sich geht. Man kann nur – mit Hilfe seiner Sinne – dieZeichen bemerken, die von der Black Box ausgehen; und unterschiedliche Empfänger werden unterschiedliche Signale wahrnehmen.
    Im pragmatischen Prinzip betrachtet man Lebewesen also als einfache, zweigliedrige Maschinen. Das ist das Prinzip der Technik. Im kommunikativen Prinzip hingegen, das die individuelle Welt als konstruiert respektiert, betrachtet man Lebewesen als komplexe, mindestens als dreigliedrige ›Maschinen‹, bei denen zwischen Ursache und Wirkung immer Bedeutungserteilung stattfindet und somit auf die gleiche Ursache eine immer wieder andere Wirkung folgt. Das ist das Prinzip des Lebens.
    Im ersten Modell werden Patienten zu Objekten, die nur auf den Eingriff des Arztes warten, ob er nun mit Hilfe eines

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