Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kohärenz 02 - Hide*Out

Kohärenz 02 - Hide*Out

Titel: Kohärenz 02 - Hide*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
hatte. Er hatte ein halbes Jahrzehnt damit verbracht, Leute zu verarzten, auch solche natürlich, die in Schlägereien geraten waren; das nahm einem doch ziemlich die Lust daran.
    Aber an ein paar gemeine Tricks konnte er sich noch erinnern. Genug, um den Mädchen wenigstens einen Vorsprung zu verschaffen.
    Gerade als er anfing, sich zu fragen, ob überhaupt noch jemand im Haus war, raschelte es an der Tür. Ein Schlüssel wurde ins Schloss geschoben. Als er umgedreht wurde, standen Serenity und Madonna schon sprungbereit hinter ihm.
    Die Tür ging auf. Es war die Frau im zitronengelben Kleid. Allein.
    Irgendwas stimmte da nicht. Er bedeutete den Mädchen, noch zu warten.
    Die Frau kam herein. Sie bewegte sich langsam. Ihr Blick war gläsern und leer, als habe sie jemand hypnotisiert. Sie hob die rechte Hand. Darin hielt sie Madonnas Telefon. Dann schritt sie auf Kyle zu und drückte ihm das Gerät wortlos in die Hand.
    Im selben Augenblick klingelte das Ding.
    Die Mädchen zuckten zusammen. Kyle auch, aber er schaffte es, das Telefon nicht fallen zu lassen. Er klappte es auf und führte es ans Ohr. »Ja?«
    »Hi, ich bin’s«, hörte er eine Stimme, die ihm bekannt vorkam. »Christopher.«

87 | Serenity stand vor Schreck wie erstarrt. Die Anweisung ihres Bruders, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu fliehen – und das Erscheinen der Frau im zitronengelben Kleid wäre so eine Gelegenheit gewesen –, hatte sie vollkommen vergessen.
    Was war mit dieser Frau los? Sie wirkte nicht wie jemand, der ihnen aus Mitleid oder sonstigen Beweggründen helfen wollte. Sie wirkte, als stünde sie unter Drogen.
    Serenity fühlte sich selber fast auch so, während sie zusah, wie ihr Bruder das klingelnde Telefon aufklappte, ans Ohr führte und lauschte. Es war ein seltsam zeitloser Moment. Als ob es keinen Unterschied machte, ob sie noch eine Stunde hier standen oder noch einen Tag oder nur noch eine Minute.
    Kyle drehte sich zu ihnen herum, Madonnas goldglänzendes Telefon in der Hand. »Es ist Christopher«, erklärte er mit verwundertem Blick. »Er will uns sagen, wie wir hier rauskommen.«
    Serenity machte den Mund auf, aber es kam kein Laut heraus. Sie hörte, wie Madonna völlig perplex zurückfragte: »Christopher?«
    »Ich weiß auch nicht, wie das jetzt funktioniert«, erwiderte Kyle. »Aber ich erkenne seine Stimme. Und ›raus‹ hört sich wie eine verdammt gute Idee an.«
    Er nahm den Hörer wieder ans Ohr. »Christopher? Einen Moment. Ich fessele die Frau lieber, bevor wir gehen.« Er nickte Serenity und Madonna zu, fuchtelte in Richtung der Fenster. »Da. Die Vorhangkordeln.«
    Serenity spurtete los, brachte ihrem Bruder die Kordeln, die bis dahin die gelbbraun gemusterten Vorhänge gehalten hatten. Kyle band der Frau damit die Handgelenke auf den Rücken, zog sie dann zum Fenster und befahl ihr, sich auf den Boden zu setzen. Sie tat es widerstandslos und schweigend, fast so, als sei sie eine Art belebte Schaufensterpuppe. Kyle fesselte ihre Arme zusätzlich an das massive Heizungsrohr entlang der Wand, verband ihr dann den Mund und schob das Rattansofa vor sie hin.
    »Man muss sie nicht gleich von der Tür aus sehen«, sagte er grimmig, dann nahm er das Telefon wieder ans Ohr: »Okay. Und jetzt? Auf den Flur und rechts. Alles klar.« Er nickte in ihre Richtung. »Kommt.«
    Sie folgten ihm hinaus in den Flur, der verlassen und still dalag. Wie rasch sich der Eindruck verändern konnte, den ein Gebäude auf einen machen konnte! Vorhin war Serenity die Villa des Musikproduzenten wie ein Schloss vorgekommen, voller Kostbarkeiten und Reichtümer – doch nun hatte sie das Gefühl, sich in einem aufwendig dekorierten Gefängnis zu bewegen. Sie ging hinter ihrem Bruder her, bemühte sich, ebenso leise aufzutreten wie er, und spürte dabei den schier übermächtigen Impuls, einfach blindlings loszurennen…
    Halt mal!
    Sie blieb stehen. »Was ist eigentlich mit den anderen?«, flüsterte sie.
    Kyle wandte unwillig den Kopf. »Mit wem?«
    »Van Horn. Seine Familie. Die müssen doch auch irgendwo sein.«
    »Klar. Die hat die Kohärenz.«
    »Ja, aber vielleicht noch nicht lange. Du hast doch Christopher gehört. Drei bis vier Tage dauert es nach dem Einpflanzen der Chips, bis sie wirklich ein Teil der Kohärenz sind. Und die Kohärenz konnte nicht wissen, dass du heute früh hier anrufen wirst!«
    Kyle blieb stehen, sah sie ungeduldig an. Sogar Madonna wirkte so, als wäre sie lieber so schnell wie möglich

Weitere Kostenlose Bücher