Kohl des Zorns
erklärt, uns in dieser höchst delikaten Angelegenheit behilflich zu sein. Ich habe ihm als Gegenleistung Schutz vor Strafverfolgung zugesichert.«
»Ein Superspitzel!« sagte Meek. »Also das ist er nun, nicht wahr, Sir?«
»Setzen Sie sich endlich, und halten Sie die Klappe, Meek.«
»Aber Sir …!«
Rune trat einen Schritt vor und baute sich drohend vor dem jungen Konstabler auf. »Ich kann Ihren Mund mit einem einzigen Wort verschließen«, sagte er. »Dann können Sie Ihren Tee durch die Nasenlöcher schlürfen.«
»Bedrohung von Amtspersonen! Das werde ich zu den übrigen Anklagepunkten hinzufügen!«
»So setzen Sie sich doch endlich, Meek! Mister Rune hier wird uns bei unseren Ermittlungen behilflich sein, und während dieses Zeitraums befindet er sich unter meinem Schutz.«
»Und danach?«
Hovis wechselte einen Blick mit Rune. »Das werden wir dann sehen.«
»Oh, werden wir das?« fragte Rune. »Vergessen Sie nicht, daß ich der einzige Mensch bin, der den Weg in den Gasometer kennt.«
»Das werden wir noch sehen.«
Hugo Rune richtete sich zu seiner ganzen unglaublichen Größe auf. »Ich bin Rune«, sprach er, »Rune, dessen Augen Dunkelheit sind, Rune, dessen Gehirn die unmöglichsten Rätsel ergründet, Rune, dessen Seele nach dem Licht unendlichen Wissens strebt.« 25
»Auch das werden wir sehen.«
»Dann sei es, wie es will. Ich werde nun gehen und meine Chancen nutzen, wie sie kommen. Leben Sie wohl.« Rune machte auf dem Absatz kehrt.
»Nicht so schnell. Falls Sie Erfolg haben, werde ich auf weitere Anklagen verzichten.«
»Aber Sir!«
»Halten Sie jetzt endlich die Klappe, Meek! Rune, berichten Sie uns doch freundlicherweise, was Sie über die Sache wissen.«
»Mister Rune«, sagte Rune.
»Meinetwegen, Mister Rune. Wenn es unbedingt sein muß.«
»Nun gut. Sie werden möglicherweise Schwierigkeiten haben, meinen Ausführungen zu folgen, aber ich werde mich bemühen, so leicht verständlich wie möglich zu sprechen.«
Hovis schnitt eine ungeduldige Grimasse. »Dann seien Sie doch so freundlich und fangen Sie endlich an. Wir haben wenig Zeit.«
»So sei es.« Rune klatschte die gewaltigen Hände zusammen, und ein kahlgeschorener Akolyth in einer abgerissenen safrangelben Robe betrat den Raum. Er war gebeugt von der Last mehrerer antiker Wälzer. Auf seine Stirn war ein kleines rotes ›R‹ tätowiert.
»Meister!« sagte er.
»Lege sie auf den Tisch, Rizla.«
»Jawohl, Meister.« Rizla tat, wie ihm geheißen, und zog sich anschließend unter tiefen Verbeugungen zurück.
»Mein Neophyt Rizla«, erklärte Rune den Anwesenden. »So, und nun zu den Fakten in diesem Fall.«
Hovis verscheuchte einen Konstabler von seinem Sitz in der ersten Reihe und nahm selbst darauf Platz. Er hatte sich offensichtlich mit der Lächerlichkeit des Ganzen abgefunden. »Dann schießen Sie mal los«, sagte er.
»Danke sehr, Inspektor.« Rune blätterte durch einen ledergebundenen Band, bis er die gesuchte Seite gefunden hatte. »Der große Gasometer, oder der Gastank. Nennen Sie das Ding, wie Sie wollen. Nach den Aufzeichnungen der Gemeinde wurde er 1885 von der West Londoner Kohle und Gas Company errichtet. Die umgebenden Tanks wurden 1962 abgerissen, und auf dem Grundstück befindet sich heute das Arts Center, diese Bastion ethnischer Unterhaltung und staatlicher Verschwendung.«
»Immer schön langsam mit den Vorurteilen, ja?« sagte Inspektor Hovis. »Uns allen ist wohlbekannt, daß das Direktorium Ihre wiederholten Forderungen abgelehnt hat, zum residierenden Magus berufen zu werden.«
»Ganz recht, aber das mag sein, wie es will. Der Gasometer. Ein markanter Orientierungspunkt, den die RAF Northolt während der Luftschlacht um England als Bodenmarkierung benutzt hat. Ein Symbol der Gemeinde Brentford. Allerdings ist es kein Gasometer, war nie einer und wird niemals einer sein. Dieses Ding ist etwas vollkommen anderes.«
Unter den Konstablern wurde Gemurmel laut.
»Das wissen wir«, sagte Hovis. »Das ist keine Enthüllung, Rune. Was verbirgt sich dahinter?«
»Ich will Sie nicht mit den Feinheiten meiner Forschung, den aufgetretenen Schwierigkeiten und den zahllosen Stunden fruchtbarer Meditation langweilen.«
»Sehr gut. Fahren Sie fort.«
»Lassen Sie mich eines sagen. Dieser Gasometer existiert seit wenigstens achthundert Jahren niedergeschriebener Geschichte. Die einheimischen Legenden berichten von den zwei Königen von Brentford, Kriegsherren aus der Zeit König Arthus’, von
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