Kokoschkins Reise
anderes Schiff. Es war wohl ein Containerschiff. Die Lufttemperatur betrug ca. 16° Celsius, und trotz der Decke, die er sich über die Beine und den Bauch gelegt hatte, fing Kokoschkin an zu frösteln. Er ging in seine Kabine und legte sich ins Bett, zu einem Nachmittagsschlaf.
Kokoschkin erwachte erst um 18 Uhr. Er bedauerte es nicht, denn die kommende Nacht sollte kurz sein, hatte der Steward gesagt. Gegen 23 Uhr werde man dem Schwesterschiff begegnen, das sich auf der Fahrt von New York nach Southampton befinde. Und gegen 5 : 30 Uhr nächsten Morgens passiere man die Statue. Ein Anblick, den es nicht zu verpassen gelte.
Die Garderobe für den Abend machte keine Mühe. Für den Herrn sei ein Jackett nicht erforderlich; ein Hemd mit Kragen und eine Hose genügten völlig. Für die Damen: Bluse mit Rock oder Hose.
Zum Dinner kamen Frank und Lucy nicht.
Sachnowski meinte, ihm sei es recht.
Olga Noborra sagte: «So werde ich die beiden ohne Abschied nie wiedersehen.»
Oakley sagte: «Immerhin gibt es morgen noch ein Frühstück.»
«Ich komme nicht zum Frühstück», sagte Kokoschkin. «Aber das letzte Dinner heute abend, das lasse ich mir schmecken.»
Oakley und Sachnowski sagten fast gleichzeitig: «Ich auch.»
«Ich bin froh, endlich nach Hause zu kommen», sagte Oakley. «Mir stehen einige Tage Urlaub zu. Ich will mit meiner Frau zum Fischen fahren.»
«Beneidenswert», sagte Kokoschkin, «aber ich möchte zu Hause bleiben, lesen, Musik hören.»
Sachnowski sagte: «Ich freue mich auf das Orchester.»
Olga Noborra blieb bei ihrer Art von Diät, wie sie lachend sagte, und bestellte als Appetizer Lollo Rosso und Fennel Salad, als Entrée Lamb Chops mit Pomegranate Molasses, Grilled Polenta und Roasted Fennel und als Dessert Frangipane Apple Tart. «Meine Canyon Ranch Spa Selections.»
Kokoschkin bestellte Beef Consommé mit Herbed Pancake Strips, einen Salad von Endive, Baby Spinach mit Yellow Tomato, dazu Honey Ginger Dressing, als Entrée Broiled Lobster Tail, Drawn Butter und Garden Risotto, und als Dessert eine Cheese Selection Stilton, Saint Paulin, Gruyère und Pepper Boursin.
Olga Noborra gab Kokoschkin die Karte vom Architekturbüro ihres Mannes. «Ich freue mich, Sie in Chicago wiederzusehen.»
Kokoschkin gab ihr seine Bostoner Karte.
Oakley sagte zu Kokoschkin: «Wollen wir nach dem Dinner noch ein Bier im Chart Room trinken?»
«Ja, gerne. Wenn Sie das Jazz-Trio nicht stört?»
«Im Gegenteil.»
Olga Noborra verabschiedete sich als erste. «Ich muß noch meinen Koffer packen und vor die Kabinentür stellen. Herr Oakley, Herr Sachnowski, leben Sie wohl. Es war angenehm, mit Ihnen zu speisen.» Zu Kokoschkin gewandt: «Warten Sie nicht zu lange mit einem Besuch bei uns.»
«Ich freue mich darauf!»
Sachnowski sagte: «Gut, daß Frau Noborra ans Kofferpacken erinnert hat. Ich verabschiede mich auch. Lassen Sie es sich gutgehen.»
Oakley und Kokoschkin machten sich auf den Weg zum Chart Room.
Kokoschkin sagte: «Erlauben Sie mir eine sehr private Frage.»
«Nur zu.»
«Sie haben mir in Boston einmal erzählt, daß Ihre erste Frau in einer Psychiatrischen Klinik lebt …»
«Lebte! Sie ist dort gestorben.»
«Das tut mir leid.»
«Es muß Ihnen nicht leid tun. Sie hat mir mein halbes Leben verdorben.»
«Wie alt waren Sie, als Sie heirateten.»
«Ich war neunundzwanzig, sie siebenundzwanzig. Wir hatten zuerst keine eigene Wohnung. Ich wohnte mit ihr bei ihrem Vater. Dieser Mann hat von mir Geld verlangt für Kost und Logis. Dabei wohnten wir in ihrem Zimmer und haben meistens in Restaurants gegessen. Ihr Vater war weniger wert als ein halber Haufen Hundescheiße. Später habe ich eine kleine Wohnung gemietet. Meine Frau hat sich bald von mir getrennt mit der Begründung ‹Du hast einen zu kleinen Schwanz›. Vor mir war sie mit einem Piloten der Air Force liiert, der einen Schwanz hatte so lang wie ein halber Tisch. So hat sie gesagt. Sie ist zu ihrem Vater zurückgegangen. Ich habe bemerkt, daß sie krank war. Paranoid-schizophren habendie Ärzte später gesagt. Wir waren noch nicht geschieden, da hat sie auf meine Rechnung Hemden, Anzüge, Krawatten und Schuhe gekauft. Für ihren Liebhaber, hat sie gesagt. Ich wurde zu einem Herrenausstatter gerufen, der mir sagte: ‹Ihre Frau hat für Sie eingekauft.›
‹Nicht für mich.›
‹Das tut uns leid, aber der Einkauf geht auf Ihren Namen.› Ich mußte zahlen. Nicht nur ein Mal. Sie hat
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