Koks und Karneval
und seinen Kumpel Charlie und gegen eine ganze Rockergang durchzusetzen. Diese beiden Spinner hier waren dagegen nicht einmal erwähnenswert. Er brauchte schwere Waffen – Panzerfäuste und Handgranaten –, und zum Glück war er kriminell genug, um zu wissen, wo er auf die Schnelle bekommen konnte, was er brauchte.
Pfeifend machte er sich auf den Weg zur Konrad-Adenauer-Kaserne in Köln-Raderthal und zu Oberst Molle, der wie so viele große, harte Männer in Christiane Hylfs kleinem rotem Notizbuch stand. Der gute Oberst würde ihm alles geben, was er brauchte.
Schon um zu verhindern, daß die interessierte Öffentlichkeit von seiner Vorliebe fürs Peitschenapportieren erfuhr …
Im Rolandseck hatte Tommy Zet unterdessen seinen Denkprozeß beendet. Das Ergebnis war niederschmetternd.
»Ich hab’ nicht den blassesten Schimmer, wie ich dir helfen könnte«, gestand er. »Ich fürchte, dir kann niemand mehr helfen, nicht einmal Gott oder der namenlose Marsianer.« Er klopfte Bernie mitfühlend auf die Antennenkappe. »Tscha, tut mir wirklich leid, aber ich muß jetzt gehen. Es war nett, dich ein letztes Mal gesehen zu haben, Bernie!«
Er warf seinen Rotor an und flog nach draußen. Auf der Straße erhöhte er die Drehzahl und düste Richtung Chlodwigplatz. Ein tückisches Grinsen entstellte sein gewöhnlich vertrauenerweckendes Gesicht. Bernie war verloren, das stand fest. Aber die Entscheidung über das Schicksal des Kokskoffers war noch nicht gefallen. Natürlich, die Konkurrenz war groß und gewalttätig, aber Tommy hatte schon immer die Meinung vertreten, daß es keine Konkurrenz, sondern nur chancenlose Mitbewerber gab.
Sein tückisches Grinsen wurde noch um eine Spur tückischer.
Nicht umsonst hatte er bereits in frühester Jugend ausgiebig mit Puderzucker und Unkraut-Ex experimentiert. Auch ein paar Molotow-Cocktails konnte er problemlos bis morgen herstellen. Das Verfahren kannte er noch aus seiner Zeit im Untergrund als Öko-Terrorist beim Commando Carlo Chaos.
Mit kriegerisch heulender Sirene bahnte er sich einen Weg durch die johlenden Jecken.
»Platz für den Kampfhubschrauber!« schrie er. »Macht Platz für den Kampfhubschrauber!«
Kurz darauf war er im Karnevalstrubel verschwunden.
Im Rolandseck blieb ein völlig verzweifelter Bernie Barnovic zurück. Er wollte sich soeben eine Flasche Ouzo bestellen, sie austrinken und sich anschließend als Zechpreller verhaften lassen, um das Massaker am Rosenmontag in einer sicheren Zelle zu überleben, als sich eine schwere Hand auf seine Schulter legte. Die Hand wanderte weiter zu seiner Kehle. Sie war bandagiert.
Die Hand einer Mumie.
»Ich reiß’ dir den Arsch auf, Barnovic«, erklärte ihm KOKs Kaminski. »Ich hätte sogar gute Lust, dich auf der Stelle zu erschlagen!«
»Ömbrenge wor noch nie ne jode Rot, Schäff«, wandte Kommissar Heppekausen beschwichtigend ein.
»O je, o je, o je!« brabbelte Bernie. »Sie werden’s vielleicht nicht glauben, Herr Kommissar, aber ich wollte Sie gerade anrufen und Ihnen die volle Wahrheit über den Kokskoffer sagen! Es begann damit, daß mich Petrus aus dieser Streusalzkiste befreite …«
Rosenmontag
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»Öm Joddes welle – han die nix wie Mord un Dutschlaach em Kopp?«
11
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Ganz Kölle jauchzte, ganz Kölle strahlte, ganz Kölle trank sich Frohsinn an, und das um zwölf Uhr mittags: High Noon in allen Gassen. Und nicht nur Köln war auf den Beinen – die ganze Welt war heute zu Gast. Aus allen Himmelsrichtungen war die Internationale der Pappnasen in die Domstadt eingefallen, um das große Fest der Narren zu feiern, und noch immer luden die Sonderzüge neue Fastelovends-Touristen am Hauptbahnhof ab.
Aus Holland und aus Leverkusen, aus Hagen, Hünxe, Helgoland, dem Kongo und dem Ruhrgebiet, aus Wuppertal und Magdeburg, Neuguinea und der Schweiz, aus England, Spanien, Zentralaustralien und selbst aus dem fernen New Orleans – alles vereinte sich im grenzenlosen Frohsinn. Zwischen Innenstadt und Severinsviertel ging die große Sause ab. Trommelschläge dröhnten, Trompetenstöße schmetterten, Gesang stieg trunken zu den Wolken auf. Die Massen schunkelten, johlten und jauchzten und riefen hunderttausendfach: »Kölle – Alaaf!«
Ob am Hauptbahnhof oder rund um den Dom, am Wallrafplatz oder am Altermarkt, an der Brücken- oder der Breite Straße, von der Schildergasse bis zum Chlodwigplatz, überall war Frohsinn angesagt. Eine Million Jecken säumten den Weg des
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