Koks und Karneval
meiner Antenne! In meiner Lage werde ich dich doch nicht belügen! Zwei Punkerinnen haben den Koffer – Nina und Susi Infernale. Das Kokain soll morgen um zwölf Uhr am Dom übergeben werden – an einen Dealer aus Frankfurt.«
Killer tauchte Bernies Kopf unter Wasser und dachte in Ruhe über diese Aussichten nach. Es war wirklich ein Glück, daß er ein schneller Denker war, wenn es um Kokain ging – als er Bernie wieder aus dem Wasser zog, lebte er noch.
»In Ordnung, Arschgesicht. Ich geb’ dir eine letzte Chance, aber wenn du mich verarschst, dann steht morgen um zwölf dein Name auf einem der Grabsteine an meinen Armen. Die Jungs und ich werden pünktlich sein. Du zeigst uns die beiden Weiber, und wir erledigen den Rest!«
Er ließ Bernie los, watete ans Ufer, setzte den Helm auf, schwang sich auf seine Kawasaki und brauste davon.
»O je, o je, o je!« jammerte Bernie. »Was habe ich nur getan?«
Zitternd schlich er aus dem Wasser, wrang mit mäßigem Erfolg die Schöße seines natogrünen Trenchcoats aus und stiefelte, eine feuchte Spur hinterlassend, zurück zur Straße. Er brauchte dringend zwei bis zwanzig Schnäpse, um diesen Schock zu überwinden und sich innerlich aufzuwärmen.
Vielleicht bekam er ja im Rolandseck Kredit, und wenn nicht, dann mußte er eben die Zeche prellen. Entschlossen beschleunigte er seine Schritte.
Es blieb ihm erspart, sich auch noch die Rache des Wirtes einzuhandeln – an der Theke saß Tommy Zet, leicht derangiert, aber mit neuem Hubschrauberhut, und hielt sich an einer halbvollen Flasche Ouzo fest. Neben ihm stand ein schöner Schwarzbart mit Lockenhaaren, glutvollen Kohlenaugen und nagelneuen Socken, der finster ein großes Kölsch schlürfte. Angewidert rückte er zur Seite, als der tropfnasse Bernie sich auf den Rettungshubschrauber stürzte.
»Tommy! Was bin ich froh, dich hier zu treffen! Ich brauche dringend deinen Schnaps und deinen guten Rat! Es geht um Leben und Tod!«
Tommy Zet zuckte sichtlich zusammen. »Du hast mir gerade noch gefehlt. Die Kamikazes hätten mich fast ermordet, und das ist alles deine Schuld! Glaubst du im Ernst, daß ich dir unter diesen Umständen einen Schnaps gebe, von meinem guten Rat ganz zu schweigen?«
Bernie schnappte sich die Ouzoflasche, setzte sie an und leerte sie in einem Zug. Sofort fühlte er sich besser. Er fühlte sich sogar so gut, daß er achtlos dem schönen Schwarzbart auf die Füße trat und dafür prompt einen brutalen Handkantenschlag ins Genick erhielt.
»Meine Fresse, kannst du nicht aufpassen, wo du hintrittst, du beknackter Zwerg? Du ruinierst mir noch meine neuen Socken!«
Spiders Tonfall verriet deutlich, daß er nicht ins Rolandseck gekommen war, um hier unbeschwert Karneval zu feiern. Statt mit seinem gerechten Anteil am Erlös des Kokskoffers ein neues Leben in neuen Socken zu beginnen, hätte ihm dieser ausgeklinkte Kolumbianer fast das Lebenslicht ausgeblasen. Außerdem war er momentan obdachlos – dieses Tier von Christiane Hylf hatte das Schloß ihres gemeinsamen Rheinblickapartments im Colonia- Hochhaus ausgewechselt und sich anschließend aus dem Staub gemacht. Und jetzt trat ihm auch noch dieser bescheuerte Antennenmann auf die neuen Socken!
Mürrisch wandte er sich wieder seinem Kölsch zu.
Meine Fresse, dachte er, das hat mir gerade noch gefehlt – ein Irrer mit ’ner Antenne auf dem Kopf, der den ganzen Boden volltropft. Als hätte der Spinner mit dem Hubschrauberhut nicht genügt!
Mit halbem Ohr und ohne großes Interesse hörte er dem Gefasel des Antennenmannes zu – und war plötzlich wie elektrisiert.
Denn Bernie erzählte Tommy Zet mit farbigen Worten und viel Liebe zum Detail von den grausigen Dingen, die ihm zugestoßen waren, seit ihm Matschke den Koffer in die Hände gedrückt hatte, und von dem bevorstehenden Massaker am Rosenmontag.
»Hast du irgendeine Ahnung, wie ich aus diesem Schlamassel lebend herauskommen kann?« beendete Bernie seine Horrorgeschichte und sah Tommy Zet flehend an. »Ich meine, du bist doch der Rettungshubschrauber, und das ist wirklich ein Notfall! Du mußt mir helfen, oder ich bin verloren!«
Tommy Zet ließ die Sirene seines Hubschrauberhuts aufheulen und begann, intensiv nachzudenken.
Spider hatte genug gehört. Er kippte das Kölsch hinunter und machte sich auf seinen neuen Socken davon. Eines war klar: Er brauchte mehr als ein Stilett und eine .357er Magnum, um sich beim Rosenmontagsmassaker gegen Nina und Susi Infernale, diesen Kolumbianer
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