Kolibri
Verdacht hatte, und packte den Mann am Kragen, versiffte Kleidung hin oder her.
âIch bin hierâ, ertönte eine Stimme und Kollaritz blickte über die Schulter des Mannes, der sich umgedreht hatte, und sah Josef Lehner auf sich zukommen, leicht schwankend und mit einer Beule seitlich am Kopf, aber offensichtlich nicht schwer verletzt. Als er bei Kollaritz und dem Mann angekommen war, streichelte er als erstes Nubia, dann klopfte er Kollaritz auf die Schulter, sagte, den Mann nach wie vor ignorierend: âMir gehtâs gut, keine Angst, ich hab nur ein bisschen Kopfweh. Und den daâ, er deutete auf den Mann, âden seh ich vor Gericht wieder, wo ich ihn auf jeden Cent verklage, den er besitzt. Clara wird sich sicher freuen.â
âWer ist Clara?â
âMeine Tochter.â
âSie haben eine Tochter?â
âKlar, und was für eine.â
Plaudernd gingen die beiden Ãrzte, gefolgt von Nubia, zurück zur ZufahrtsstraÃe, winkten unterwegs einen Polizisten herbei, dem sie die Sachlage schilderten und ihm erklärten, wo er den Mann, der Lehner niedergeschlagen hatte, finden würde. Der Polizist wollte gleich eine Anzeige aufnehmen, aber Lehner sagte, das habe Zeit und ging einfach weiter. Als sie vorne angekommen waren, verabschiedete sich Lehner mit dem Hinweis, er werde ein paar Interviewsgeben, und Nubia stürmte auf Dolores Hightower zu und sprang an ihr hoch wie eine Gottesanbeterin nach einer Diät.
âHast du mich vermisst?â, fragte sie und kraulte Nubia hinter den Ohren, was dieser ein Winseln entlockte. âHat mein kleiner Darling mich vermisst?â SchlieÃlich legte sich Nubia auf den Boden und Hightower wandte sich Kollaritz zu und fragte: âUnd du, hast du mich auch vermisst?â
Kollaritz spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, und der Wechsel vom Sie zum Du war ihm auch nicht entgangen, und da stand er dann, ein erwachsener Mann, ausgebildeter Arzt und alles, und stammelte: âJa, klar, ich meine, sicher.â
âKommâ, sagte sie und reichte ihm die Hand, die er nach kurzem Zögern packte, âwir gehen.â
âWohin denn?â
âMeine Arbeit hier ist erledigtâ, sagte Hightower.
âErledigt?â
âNa ja, fast.â
Sie gingen zum Bürgermeister, und während der ganzen Zeit, die Hightower für ihre kleine Verabschiedungsrede benötigte, hielt sie die Hand von Kollaritz, auch als sie der versammelten Gruppe zuwinkte und ein kehliges
Good bye
zurief, und selbst als sie weitermarschierten und bei Patrick Berger, der mitten auf der StraÃe in einer Ãllache hockte und beinahe katatonisch wirkte, ein funkelnder Behälter lag neben ihm wie der Rumpf eines futuristischen Tieres, selbst dann noch hielt Dolores Hightower die Hand von Daniel Kollaritz, während sie mit der anderen in die Brusttasche ihrer Latzhose griff, einen Zettel herausholte und ihn Berger in die Hand drückte.
âWas ist das?â, fragte Berger und faltete den Zettel auseinander.
âMeine Honorarnoteâ, sagte Hightower.
Berger überflog die paar Zeilen und starrte Hightower entgeistert an: âFünfzigtausend Euro?â
âZahlbar binnen einer Woche. Kontonummer steht oben rechts.â Dann gab sie ihm noch einen Klaps auf die Schulter und ging mit Kollaritz weiter. Nach ein paar Metern blieb sie stehen, schaute ihmin die Augen und sagte: âHast du Lust, mit mir nach Amerika zu kommen? Ich wohne weit drauÃen, auf dem Land, in einem renovierten Farmhaus.â
Ohne eine Sekunde zu überlegen, sagte Kollaritz: âJa.â Dann fiel ihm noch etwas ein. âAber nur unter einer Bedingung. Eigentlich zwei.â
Hightower runzelte die Stirn. âNämlich?â
âErstens, ich verabschiede mich vorher noch von Karl.â
Hightower deutete hinüber zum Gitter, das die StraÃe vom Platz vor dem Zentralfriedhof trennte und an das sich Karl gerade lehnte, offensichtlich, um in Position für ein Interview zu gehen. âDer scheint gerade beschäftigt zu sein.â
âNicht jetzt, später.â
âOkay, und die zweite Bedingung?â
âDu kommst vorher zu meiner Familie zum Abendessen.â
âWeiter nichts?â
âNein, weiter nichtsâ, sagte Kollaritz. âMein Vater wird dich lieben.â Allein bei der Vorstellung, wie sein Vater versuchte, Dolores Hightower in die Ecke zu drängen, musste er
Weitere Kostenlose Bücher