Kollaps
dass Fleisch insgesamt nur in geringen Mengen zur Verfügung stand. Wildbret war vorwiegend ein Luxus für die herrschende Klasse.
Früher glaubte man, die Maya hätten Landwirtschaft mit Brandrodung betrieben: Dabei wird Wald abgeholzt und abgebrannt, auf den so entstandenen Feldern baut man höchstens einige Jahre lang Nutzpflanzen an, und wenn der Boden erschöpft ist, werden die Flächen für 15 bis 20 Jahre aufgegeben, bis die Fruchtbarkeit sich durch die nachwachsende wilde Vegetation regeneriert hat. Da bei Brandrodung zu jedem Zeitpunkt ein großer Teil der Landschaft brachliegt, ermöglicht sie nur eine bescheidene Bevölkerungsdichte. Deshalb war es für die Archäologen eine überraschende Entdeckung, dass die Bevölkerungsdichte bei den Maya, die man aufgrund der Zahl steinerner Fundamente von Bauernhäusern abschätzen kann, häufig viel größer war, als eine Landwirtschaft mit Brandrodung es zulassen würde. Die wirklichen Zahlen sind heftig umstritten und waren offenbar in den einzelnen Regionen unterschiedlich, häufig werden aber Schätzungen von 100 bis 300, möglicherweise auch 600 Menschen pro Quadratkilometer genannt. (Zum Vergleich: Selbst heute haben die beiden am dichtesten besiedelten Staaten Afrikas, Ruanda und Burundi, eine Bevölkerungsdichte von 300 beziehungsweise 220 Menschen je Quadratkilometer.) Die alten Maya müssen also in der Lage gewesen sein, ihre landwirtschaftliche Produktion weit über das hinaus zu steigern, was allein mit Brandrodung möglich gewesen wäre.
In vielen Gebieten der Maya findet man die Überreste landwirtschaftlicher Einrichtungen, die zur Produktionssteigerung dienten: Terrassen an den Berghängen hielten Boden und Feuchtigkeit fest, Bewässerungssysteme oder Kanalnetze entwässerten die Felder. Diese Systeme, die nachweislich auch in anderen Gebieten auf der Erde existierten, waren nur mit großem Aufwand zu bauen, belohnten die Mühe aber mit einer Steigerung der Nahrungsmittelproduktion. Man grub Kanäle, um das Wasser aus nassen Gebieten abzuleiten, düngte die Felder zwischen den Kanälen und hob sie an, indem man Schlamm und Wasserpflanzen aus den Kanälen darauf verteilte, und verhinderte so, dass die Felder selbst überschwemmt wurden. Die Bauern ernteten auf solchen Feldern nicht nur Nutzpflanzen, sondern in den Kanälen »züchteten« sie auch wilde Fische und Schildkröten als zusätzliche Lebensmittellieferanten. In anderen Gebieten der Maya dagegen, beispielsweise in den gut untersuchten Städten Copan und Tikal, findet man kaum archäologische Spuren für Terrassenbau, Bewässerung oder aufgeschüttete und entwässerte Felder. Hier müssen die Bewohner zur Steigerung der Lebensmittelproduktion andere Mittel angewendet haben, die keine archäologischen Spuren hinterlassen haben, beispielsweise Düngung, Überschwemmungswirtschaft, Verkürzung der Zeiten, in denen man die Felder brachliegen ließ, Pflügen des Bodens zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit, oder im Extremfall ein völliger Verzicht auf die Brachperiode; in diesem Fall erntete man jedes Jahr oder in besonders feuchten Gebieten sogar zweimal im Jahr.
In Gesellschaften mit einer Schichtstruktur, wie sie heute in Nordamerika und Europa existieren, produzieren Bauern die Lebensmittel; andere Berufsgruppen, beispielsweise Beamte und Soldaten, erzeugen selbst keine Nahrung, sondern verbrauchen nur die Produkte der Bauern und verhalten sich diesen gegenüber letztlich als Parasiten. In jeder Schichtengesellschaft müssen die Bauern also so viel Nahrungsmittelüberschüsse produzieren, dass nicht nur ihre eigenen Bedürfnisse befriedigt werden, sondern auch die der anderen Verbraucher. Wie viele Verbraucher davon leben können, ohne selbst etwas zu produzieren, hängt von der landwirtschaftlichen Produktivität einer Gesellschaft ab. In den heutigen Vereinigten Staaten mit ihrer sehr effizienten Landwirtschaft stellen die Bauern nur zwei Prozent der Bevölkerung, und jeder Bauer kann im Schnitt 125 andere Menschen ernähren. Die altägyptische Landwirtschaft war zwar wesentlich weniger leistungsfähig als ihr modernes, mechanisiertes Gegenstück, aber auch ein ägyptischer Bauer produzierte bereits das Fünffache der Nahrungsmenge, die er für sich selbst und seine Familie brauchte. Bei den Maya erzeugte ein Bauer nur das Doppelte dieser Menge. Dort bestand die Gesellschaft zu mindestens 70 Prozent aus Bauern. Die Landwirtschaft der Maya unterlag nämlich mehreren
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