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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Beschränkungen.
    Erstens produzierte sie wenig Protein. Mais, die bei weitem vorherrschende Getreidesorte, hat einen geringeren Proteingehalt als Weizen und Gerste, die Grundnahrungsmittel der Alten Welt. Die wenigen essbaren Haustiere, die bereits erwähnt wurden, waren allesamt klein und lieferten viel weniger Fleisch als die Kühe, Schafe, Schweine und Ziegen der Alten Welt. Die Maya mussten mit einer geringeren Auswahl von Nutzpflanzen auskommen als die Bauern in den Anden, die neben dem Mais auch über Kartoffeln, die proteinreiche Reismelde (auch Quinoa genannt) und viele andere Pflanzen sowie über Lamas als Fleischlieferanten verfügten, und dieses Spektrum war wiederum geringer als das der verschiedenen Nutzpflanzen in China und im Westen Eurasiens.
    Eine weitere Beschränkung bestand darin, dass der Maisanbau der Maya weniger intensiv und produktiv war als die chinampas (eine sehr produktive Art der Landwirtschaft auf angeschütteten Feldern) der Azteken, die angeschütteten Felder der Tiwanaku-Kultur in den Anden, die Moche-Bewässerungssysteme an der Küste Perus oder die Felder in großen Teilen Eurasiens, auf denen die Pflüge von Tieren gezogen wurden.
    Ein ganz anderes Hindernis war das feuchte Klima im Gebiet der Maya: Länger als ein Jahr konnte man den Mais hier kaum aufbewahren. Die Anasazi dagegen, die im trockenen Klima des nordamerikanischen Südwestens zu Hause waren, lagerten ihn bis zu drei Jahre lang.
    Und schließlich hatten die Indianer in den Anden ihre Lamas, und die Menschen der Alten Welt verfügten über Pferde, Ochsen, Esel und Kamele. Die Maya dagegen besaßen keine Tiere zum Transport oder zum Pflügen. Waren konnten auf dem Landwege ausschließlich auf dem Rücken von Trägern transportiert werden. Wenn man aber einen Träger mit einer Ladung Mais als Begleitung einer Armee in die Schlacht schickt, wird ein Teil der Maisladung für den Träger selbst auf dem Hinweg gebraucht, einen weiteren Teil verzehrt er auf dem Rückweg, und nur ein Bruchteil steht für die Ernährung der Armee zur Verfügung. Je länger der Weg, desto weniger bleibt von der Ladung übrig, wenn der Träger seine eigenen Bedürfnisse befriedigt hat. Schon, wenn der Marsch nur einige Tage oder bis zu einer Woche dauert, wird es unwirtschaftlich, Mais zur Versorgung von Armeen oder Märkten mit Trägern zu transportieren. Wegen der geringen Produktivität ihrer Landwirtschaft und des Fehlens von Zugtieren unterlagen die Maya, was Dauer und Entfernung militärischer Feldzüge anging, engen Beschränkungen.
    Wir haben uns an den Gedanken gewöhnt, dass nicht die Nahrungsversorgung, sondern die Qualität der Waffen über militärische Erfolge bestimmt. Dagegen liefert die Geschichte der neuseeländischen Maori ein klares Beispiel dafür, wie eine Verbesserung der Lebensmittelversorgung entscheidend zum militärischen Erfolg beitragen kann. Die Maori sind das polynesische Volk, das sich als Erstes in Neuseeland niederließ. Sie führten untereinander traditionell häufig Kriege, die sich aber nur gegen eng benachbarte Stämme richteten. Solche Auseinandersetzungen wurden durch die bescheidene Produktivität der Landwirtschaft eingegrenzt, in der Süßkartoffeln das Grundnahrungsmittel bildeten. Das Gemüse in ausreichenden Mengen anzubauen, sodass man damit eine Armee auf dem Schlachtfeld oder auf längeren Märschen über geraume Zeit ernähren konnte, war nicht möglich. Als die ersten Europäer nach Neuseeland kamen, brachten sie die Kartoffeln mit, und das führte ungefähr seit 1850 bei den Maori zu deutlich steigenden landwirtschaftlichen Erträgen. Jetzt konnte man genügend Nahrung anbauen, um Streitkräfte an der Front über viele Wochen hinweg zu versorgen. Die Folge: In den 15 Jahren von 1818 bis 1833 überfielen Maoristämme, die von den Engländern bereits Kartoffeln und Feuerwaffen übernommen hatten, viele hundert Kilometer entfernte Nachbarstämme, die noch nicht über diese Hilfsmittel verfügten. Der produktive Kartoffelanbau hob also die Beschränkungen auf, denen die Maori in ihrer Kriegsführung bis dahin unterlegen hatten; ganz ähnliche Beschränkungen galten auch für die Maya mit ihrer wenig produktiven, auf Mais basierenden Landwirtschaft.
    Solche Zusammenhänge mit der Lebensmittelversorgung sind vermutlich zumindest teilweise auch eine Erklärung dafür, warum die Gesellschaft der Maya politisch in kleine Königreiche aufgeteilt war, die ständig untereinander Krieg führten und sich nie

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