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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Fundstätten und Städte erkundet. An der außergewöhnlichen Schönheit der Gebäude und Kunstwerke erkannten sie, dass sie hier nicht die Werke von »Wilden« (wie sie es formulierten) vor sich hatten, sondern eine untergegangene Hochkultur. Ihnen wurde klar, dass manche Muster auf den steinernen Denkmälern eine Schrift darstellten, und sie vermuteten zu Recht, dass die Schrift über historische Ereignisse und die Namen von Menschen berichtete. Nach seiner Rückkehr schrieb Stephens zwei Reiseberichte, die von Catherwood illustriert wurden und die Ruinen beschrieben; beide wurden zu Bestsellern.
    Einen Eindruck von dem romantischen Reiz der Maya vermitteln einige Zitate aus Stephens Schriften: »Die Stadt war verfallen. In den Ruinen findet sich kein Überrest dieses Geschlechts, in dem die Überlieferung vom Vater auf den Sohn und von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Sie lag vor uns wie ein zerschmettertes Schiff mitten auf dem Meer, ohne Mast, mit verblasstem Namen, die Mannschaft verschwunden. Niemand konnte sagen, woher es gekommen war, wem es gehörte, wie lange es sich schon auf der Reise befand oder was zu seiner Zerstörung geführt hatte ... Architektur, Bildhauerei und Malerei, alle Künste, welche das Leben verschönern, waren in diesem überwucherten Wald aufgeblüht; Redner, Krieger und Staatsmänner, Schönheit, Ehrgeiz und Pracht hatten darin gelebt und waren vergangen, und niemand wusste, dass es solche Dinge gegeben hatte, niemand konnte von ihrem früheren Dasein berichten ... Da waren die Überreste eines kultivierten, glänzenden, sonderbaren Volkes, das alle Stadien von Aufstieg und Fall der Nationen durchgemacht hatte; das sein goldenes Zeitalter erreicht hatte und dann verschwunden war ... Wir gingen hinauf zu ihren verfallenen Tempeln und umgestürzten Altären; und wohin wir auch kamen, überall sahen wir die Zeugnisse ihres Geschmacks, ihres künstlerischen Geschicks . Wir ließen die seltsamen Menschen lebendig werden, die traurig von der Mauer blickten; stellten uns vor, wie sie in phantasievollen Kostümen und mit Federn geschmückt, über die Terrassen des Palastes und die Stufen zu den Tempeln hinaufstiegen . In der Romantik der Weltgeschichte hat nichts auf mich einen nachdrücklicheren Eindruck hinterlassen als das Schauspiel dieser einstmals großen, lieblichen Stadt, die gestürzt, verfallen und verloren war . überwachsen von Bäumen im Umkreis von vielen Meilen, und noch nicht einmal mit einem Namen, mit dem man sie unterscheiden könnte.« Noch heute sind Touristen von dieser Kultur fasziniert.
    Für uns, die wir uns für prähistorische Zusammenbrüche interessieren, hat die Geschichte der Maya mehrere Vorteile. Erstens sind schriftliche Aufzeichnungen erhalten; sie sind zwar entsetzlich unvollständig, tragen aber dennoch dazu bei, dass wir die Geschichte der Maya in viel mehr Einzelheiten rekonstruieren können als die der Osterinsel oder selbst die der Anasazi mit ihren Jahresringen und Buschrattenexkrementen. Wegen ihrer großartigen Kunst und Architektur wurden die Städte und Kultur der Maya von viel mehr Archäologen untersucht, als wenn es sich nur um sammelnde und jagende Analphabeten gehandelt hätte, die in archäologisch unsichtbaren Behausungen lebten. In jüngster Zeit konnten Klimaforscher und Paläoökologen mehrere Anzeichen für frühere Klima- und Umweltveränderungen ausmachen, die zum Zusammenbruch der Maya beitrugen. Und schließlich gibt es auch heute noch Maya, die in ihrer alten Heimat leben und die Sprache ihres Volkes sprechen. Da von der Kultur der Maya so vieles den Zusammenbruch überlebt hat, konnten die ersten europäischen Besucher des Gebietes zahlreiche Informationen über die Mayagesellschaft ihrer Zeit zusammentragen, und diese Aufzeichnungen spielen auch für unsere Kenntnisse über frühere Zeiten eine entscheidende Rolle. Ihren ersten Kontakt mit Europäern hatten die Maya schon 1502, nur zehn Jahre nachdem Christoph Kolumbus die Neue Welt »entdeckt« hatte; auf der letzten seiner vier Reisen fischte Kolumbus ein Kanu auf, das dem Handel diente und vermutlich den Maya gehörte. Im Jahr 1527 begannen die Spanier ernsthaft, das Gebiet der Maya zu erobern, aber erst 1697 hatten sie das letzte Fürstentum unterworfen. Fast zwei Jahrhunderte lang hatten Spanier also die Gelegenheit, unabhängige Gesellschaften der Maya zu beobachten. Wichtig - im guten wie im schlechten Sinne - war vor allem der Bischof Diego de Landa, der

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