Kollaps
Bevölkerung leben. Aber der Niederschlag schwankt in der Region der Maya unberechenbar von Jahr zu Jahr; in jüngerer Zeit lag er in manchen Jahren drei- oder viermal so hoch wie in anderen. Auch die zeitliche Verteilung der Niederschläge im Lauf eines Jahres ist nicht genau vorherzusehen; deshalb kann es leicht vorkommen, dass Bauern in Erwartung des Regens ihre Nutzpflanzen anbauen, und dann stellt der Niederschlag sich nicht zur erhofften Zeit ein. Daher erleben Bauern, die heute in der ehemaligen Heimat der Maya Mais anbauen, insbesonders die im Norden häufig Missernten. In alter Zeit hatten die Maya vermutlich mehr Erfahrung, sodass sie besser zurechtkamen, aber auch für sie bestand die Gefahr von Missernten durch Trockenheit und Wirbelstürme.
Obwohl der südliche Teil des Mayagebietes mehr Niederschlag verzeichnet als der Norden, wiegen Wasserprobleme im feuchten Süden paradoxerweise schwerer. Dies machte den Maya dort das Leben schwer, aber auch heutige Archäologen haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Sie verstehen kaum, warum die Dürre früher im feuchten Süden größere Probleme verursachte als im trockenen Norden. Die Erklärung liegt wahrscheinlich in einer Süßwasser-Lagerstätte unter der Yucatan-Halbinsel: An der Oberfläche steigt das Gelände von Norden nach Süden an, sodass das Gebiet im Süden viel höher über dem Grundwasserspiegel liegt. Im Norden der Halbinsel ist das Gelände so niedrig, dass die Maya in alter Zeit mit tiefen Löchern (Cenotes) oder in Höhlen zum Grundwasser vorstoßen konnten; jeder Tourist, der schon einmal die Mayastadt Chichen Itza besichtigt hat, wird sich dort an die großen Cenotes erinnern. In den tief liegenden Küstengebieten des Nordens, wo es keine solchen Löcher gibt, dürften die Maya mit selbst gegrabenen, bis zu 25 Meter tiefen Brunnen das Grundwasser erreicht haben. Reichlich verfügbar ist Wasser auch in vielen Teilen von Belize, wo es Flüsse gibt, sowie entlang des Usumacinta im Westen und rund um einige Seen in der Region Peten im Süden. Aber zu einem großen Teil liegt der Süden so hoch über dem Grundwasserspiegel, dass Cenotes oder Brunnen nicht bis zu ihm hinabreichen. Noch schlimmer wird die Sache, weil die Halbinsel Yucatan zu einem beträchtlichen Teil aus Karst besteht, einem Gelände aus porösem, schwammartigem Kalkstein, der den Niederschlag sofort in den Boden ableitet, sodass an der Oberfläche kaum noch Wasser zur Verfügung steht.
Wie kam die dichte Mayabevölkerung im Süden mit den Wasserproblemen zurecht? Anfangs ist man überrascht, dass sie ihre Städte vielfach nicht in der Nähe der wenigen Flüsse bauten, sondern auf Klippen im gebirgigen Hochland. Dies erklärt sich dadurch, dass die Maya Senken aushoben, natürliche Senken abwandelten und dann deren Boden abdichteten, sodass der Karst undurchlässig wurde. Auf diese Weise schufen sie Zisternen und Reservoire, die den Regen aus großen, mit Gips ausgekleideten Auffangbecken sammelten und für die Trockenzeit speicherten. Die Reservoire der Mayastadt Tikal beispielsweise fassten so viel Wasser, dass 10 000 Menschen 18 Monate lang genug zu trinken hatten. In der Stadt Coba zogen die Maya Dämme rund um einen See, um seinen Wasserspiegel steigen zu lassen und die Wasserversorgung zuverlässiger zu gestalten. Aber die Bewohner in Tikal und anderen Städten, die mit ihrem Trinkwasser auf Reservoire angewiesen waren, hätten nach wie vor große Schwierigkeiten bekommen, wenn es in einer ausgedehnten Dürrephase 18 Monate oder länger nicht geregnet hätte. Schon eine kürzere Trockenzeit, in der die Nahrungsmittelvorräte zur Neige gingen, hätte zu einer Hungersnot geführt, denn um Nutzpflanzen anzubauen, braucht man keine Reservoire, sondern Regen.
Von besonderer Bedeutung sind in unserem Zusammenhang die Einzelheiten der Maya-Landwirtschaft; ihre Grundlage waren Nutzpflanzen, die man in Mexiko domestiziert hatte - an erster Stelle stand dabei der Mais, die zweitgrößte Bedeutung hatten Bohnen. Wie man aus der Isotopenanalyse alter Mayaskelette ablesen kann, machte Mais sowohl bei der Oberschicht als auch bei den einfachen Leuten mindestens 70 Prozent der Ernährung aus. Als einzige Haustiere hielten sie Hunde, Puten, Moschusenten und stachellose Bienen, die Honig lieferten; die wichtigsten wilden Fleischlieferanten waren Hirsche sowie an manchen Stellen auch Fische. Die wenigen Tierknochen an den archäologischen Stätten der Maya lassen jedoch daraufschließen,
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