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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Anasazi sowie den Maya waren alle drei von Bedeutung. Zusätzlich war aber in der isländischen und grönländischen Geschichte wie bei den Nachbarn von Mangareva und den Anasazi auch der Handel mit freundlich gesonnenen Nachbarn ein wichtiger Faktor, während er auf der Osterinsel und in der Geschichte der Maya keine Rolle spielte. Und schließlich wirkten im Gegensatz zu allen anderen genannten Gesellschaften im Grönland der Wikinger auch feindselige Außenstehende (die Inuit) entscheidend mit. Wenn man die Geschichte der Osteri nsel und der Nachbarn von Mangareva also als Fugen betrachtet, in denen sich zwei beziehungsweise drei Themen verflechten wie in manchen Werken von Johann Sebastian Bach, so sind die Probleme Islands eine Quadrupelfuge wie jenes mächtige, unvollendete Werk, mit dem Bach kurz vor seinem Tod seine letzte große Komposition, die Kunst der
    Fuge, abschließen wollte. Aber nur der Niedergang Grönlands bildet das, was selbst Bach nie versuchte: eine vollständige Quintupelfuge. Aus allen diesen Gründen werden die Gesellschaften der Wikinger in dem vorliegenden und den nächsten beiden Kapiteln als ausführlichstes aller Beispiele dieses Buches dargestellt: Sie bilden das zweite und größere der beiden Schafe in unserer Boa constrictor.
    Das Präludium zu den Fugen von Island und Grönland war die Welle der Wikinger, die seit 793 n. Chr. von Irland und dem Baltikum bis zum Mittelmeer und nach Konstantinopel über das mittelalterliche Europa hereinbrach. Wie bereits erwähnt, entstanden alle Grundelemente der mittelalterlich - europäischen Kultur im Lauf der vorangegangenen 10 000 Jahre im Fruchtbaren Halbmond oder in seiner Nähe; dieses halbmondförmige Gebiet erstreckt sich in Südwestasien von Jordanien nach Norden bis in die Südosttürkei und nach Osten bis in den Iran. Von dort kamen die ersten Nutzpflanzen und Haustiere der Welt, Transportmittel mit Rädern, die Bearbeitung von Kupfer sowie später von Bronze und Eisen, der Aufstieg kleinerer und größerer Städte, Fürstentümer und Königreiche sowie die organisierte Religion. Alle diese Elemente breiteten sich allmählich aus und veränderten Europa von Südosten nach Nordwesten: Es begann um 7000 vor Christus, als die Landwirtschaft aus Anatolien in Griechenland eingeführt wurde, und endete in Skandinavien, dem Teil Europas, der am weitesten vom Fruchtbaren Halbmond entfernt ist und um 2500 v. Chr. die Einführung der Landwirtschaft erlebte.
    Skandinavien war auch am weitesten vom Einfluss der römischen Kultur entfernt: Anders als das heutige Deutschland wurde es nie von römischen Händlern besucht, und es hatte auch keine gemeinsame Grenze mit dem Römischen Reich. Deshalb blieb Nordeuropa bis ins Mittelalter der Hinterhof des Kontinents.
    Aber Skandinavien besaß zwei natürliche Vorteile, die nur auf Ausbeutung warteten: einerseits die Waldtierpelze, Robbenfelle und Bienenwachs, die als Luxusgüter ins übrige Europa exportiert wurden, und andererseits (in Norwegen wie auch in Griechenland) eine stark zerklüfteten Küste, an der Seereisen schneller als Reisen über Land vonstatten gehen konnten, was allen, die seemännische Fähigkeiten entwickelten, einen großen Vorteil bot. Bis ins Mittelalter hinein besaßen die Skandinavier ausschließlich Schiffe ohne Segel, die mit Rudern vorangetrieben wurden. Die Segel des Mittelmeerraumes gelangten schließlich um 600 n. Chr. nach Skandinavien, zu einer Zeit, als Klimaerwärmung und verbesserte Pflüge die Lebensmittelproduktion ansteigen ließen und in Skandinavien zu einer Bevölkerungsexplosion führten. Im gebirgigen Norwegen mit seinen steilen Berghängen sind nur drei Prozent der Flächen landwirtschaftlich nutzbar, und diese Gebiete standen insbesondere im Westen des Landes ungefähr seit 700 n. Chr. unter zunehmendem Bevölkerungsdruck. Als immer weniger die Gelegenheit bestand, zu Hause neue Bauernhöfe zu errichten, breiteten sich die Skandinavier über das Meer hinweg aus. Nachdem es Segel gab, entwickelte man schnelle, flache, manövrierfähige Schiffe mit kombiniertem Segel- und Ruderantrieb, die sich gut dazu eigneten, Luxus-Exportgüter zu den begeisterten Käufern nach Europa und Großbritannien zu transportieren. Mit diesen Schiffen konnte man den Ozean überqueren, aber sie ließen sich auch auf flache Strände ziehen oder weit die Flüsse hinaufrudern, sodass man nicht auf die wenigen Tiefwasserhäfen angewiesen war.
    Aber für die mittelalterlichen

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