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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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gefährdeten, nicht erkannten und zu lösen versuchten. Anscheinend konzentrierten sie sich ausschließlich auf ihre kurzfristige Bereicherung, auf Kriege, auf den Bau von Denkmälern, auf die Konkurrenz mit ihresgleichen und auf die Frage, wie man den Bauern so viele Lebensmittel abnehmen konnte, dass alle diese Tätigkeiten möglich wurden. Wie die meisten Herrscher der Menschheitsgeschichte, so grübelten auch die Könige und Adligen der Maya nicht über langfristige Probleme, soweit sie diese überhaupt wahrnahmen. Wir werden auf das Thema in Kapitel 14 zurückkommen.
    Auch wenn wir in diesem Buch noch einige andere Gesellschaften der Vergangenheit betrachten müssen, bevor wir unsere Aufmerksamkeit der modernen Welt zuwenden, fallen schon jetzt einige Parallelen zwischen den Maya und den in Kapitel 2 bis 4 erörterten Gesellschaften auf. Wie auf der Osterinsel, auf Mangareva und bei den Anasazi, so führten Umwelt- und Bevölkerungsprobleme auch bei den Maya zunehmend zu Kriegen und Unruhen. Wie auf der Osterinsel und im Chaco Canyon, so folgte der politische und gesellschaftliche Zusammenbruch auch hier sehr schnell auf den Höhepunkt der Bevölkerungszahl. Parallel zur Erweiterung der Landwirtschaft von den Küstenniederungen der Osterinsel in das Hochland und von den Mimbres-Überflutungsebenen in die Berge, so breiteten sich auch die Bewohner von Copan aus den Überschwemmungsgebieten in die empfindlicheren Bergregionen aus, und als der Landwirtschaftsboom in den Bergen zu Ende war, blieb eine größere Bevölkerung übrig. Und wie die Häuptlinge der Osterinsel, die immer größere Statuen errichteten und sie am Ende noch mit den pukao krönten, oder wie die Herrscher der Anasazi, die sich mit Halsketten aus 2000 Türkisperlen schmückten, so wollten auch die Mayakönige sich mit immer größeren, eindrucksvolleren Tempeln gegenseitig übertreffen. Die Tempel waren mit immer dickerem Verputz bedeckt - und das wiederum erinnert durchaus an den auffälligen Konsum heutiger amerikanischer Spitzenmanager. Vervollständigt wird unsere Liste der beunruhigenden Parallelen durch die Untätigkeit der Häuptlinge auf der Osterinsel und der Mayakönige angesichts echter, großer Gefahren, die ihre jeweiligen Gesellschaften bedrohten.

KAPITEL 6
Die Wikinger: Präludium und Fugen
    Experimente auf dem Atlantik ■ Die Bevölkerungsexplosion der Wikinger ■ Autokatalyse ■ Landwirtschaft bei den Wikingern ■ Eisen ■ Wikingerhäuptlinge ■ Die Religion der Wikinger ■ Orkney-, Shetland- und Färöerinseln ■ Isländische Umwelt ■ Geschichte Islands ■ Island im größeren Zusammenhang ■ Vinland
    Wenn Cineasten meiner Generation das Wort »Wikinger« hören, steht sofort Kirk Douglas als Häuptling vor unserem geistigen Auge, der Star des unvergesslichen Filmepos Die Wikinger aus dem Jahr 1958. Mit einem nietenbesetzten Lederhemd bekleidet, führt er seine bärtigen Barbaren auf Reisen voller Überfälle, Vergewaltigungen und Morde. Noch nahezu ein halbes Jahrhundert nachdem ich mich mit einer Freundin aus dem College zu dem Kinobesuch verabredet hatte, kann ich in meiner Phantasie die Eröffnungsszene wiederauferstehen lassen: Wikingerkrieger schlagen das Tor einer Burg ein, deren Bewohner gerade arglos zechen und laut aufschreien, als die wilden Männer hereinplatzen und sie abschlachten. Währenddessen lässt Kirk Douglas seine schöne Gefangene Janet Leigh sein Vergnügen durch vergeblichen Widerstand steigern. In den blutrünstigen Bildern steckt eine Menge Wahrheit: Tatsächlich terrorisierten die Wikinger mehrere Jahrhunderte lang das mittelalterliche Europa. In ihrer eigenen Sprache, dem Altnordischen, bedeutet das Wort vikingär nichts anderes als »Räuber«.
    Die Geschichte der Wikinger hat aber auch andere, weniger gewalttätige Aspekte, und die sind für dieses Buch von größerer Bedeutung. Sie waren nicht nur gefürchtete Piraten, sondern auch Bauern, Händler, Siedler und die ersten europäischen Entdecker im Nordatlantikraum. Die von ihnen gegründeten Siedlungen erlitten sehr unterschiedliche Schicksale. Auf dem europäischen Kontinent und den Britischen Inseln vermischten sich die Bewohner irgendwann mit der lokalen Bevölkerung und wirkten an der Entstehung mehrerer Nationalstaaten mit, insbesondere Russland, England und Frankreich. Die Kolonie Vinland war der erste europäische Versuch, Nordamerika zu besiedeln, der aber schnell wieder aufgegeben wurde; auch die Kolonie in Grönland, 450

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