Kollaps
offener See, entwickelten sich irgendwann vor 1000 n. Chr. im Bereich der Beringstraße. Mit Hundeschlitten und großen Booten konnten die Inuit an Land und auf dem Meer viel schneller reisen und Material transportieren als die Dorset-Menschen.
Als es im Mittelalter in der Arktis wärmer wurde und die zugefrorenen Wasserstraßen zwischen den Inseln Nordkanadas auftauten, folgten die Inuit den Grönlandwalen, ihren bevorzugten Beutetieren, durch diese Wasserstraßen quer durch Kanada nach Osten, und um 1200 waren sie im Nordwesten Grönlands angelangt. Danach wanderten sie an der Westküste der Insel nach Süden und erreichten die Nordrseta, dann um 1300 die Gegend der Westlichen Siedlung und um 1400 die Region rund um die Östliche Siedlung.
Die Inuit machten auf dieselben Tierarten Jagd wie die Dorset-Menschen, aber sie waren dabei vermutlich erfolgreicher, weil sie im Gegensatz zu ihren Vorgängern Pfeil und Bogen besaßen. Darüber hinaus erschlossen sie sich aber mit dem Walfang eine weitere wichtige Nahrungsquelle, die weder den Dorset-Menschen noch den Wikingern zur Verfügung stand. Deshalb konnten die Jäger der Inuit zahlreiche Frauen und Kinder ernähren, und sie wohnten in großen Siedlungen, die in der Regel Dutzende von Menschen beherbergten, darunter 10 bis 20 erwachsene männliche Jäger und Kämpfer. In den guten Jagdrevieren der Nordrseta errichteten die Inuit an einer Stelle namens Sermermiut eine riesige Ansiedlung, die allmählich auf mehrere hundert Behausungen anwuchs. Man kann sich gut vorstellen, welche Probleme es für die Jagd der Wikinger in der Nordrseta aufwarf, wenn eine Gruppe ihrer Jäger, die sicher kaum mehr als wenige Dutzend Männer umfasste, von einer derart großen Gruppe der Inuit aufgespürt wurde und dann keine guten Beziehungen knüpfen konnte.
Im Gegensatz zu den Wikingern repräsentierten die Inuit den Höhepunkt einer jahrtausendealten kulturellen Entwicklung, in deren Verlauf die Völker der Arktis gelernt hatten, die dort herrschenden Bedingungen zu meistern. In Grönland gab es wenig Holz zum Bauen, zum Heizen oder für die Beleuchtung der Häuser während der winterlichen Dunkelheit. Für die Inuit kein Problem: Auf ihren winterlichen Reisen bauten sie sich Iglus aus Schnee, und als Brennmaterial für Heizung und Beleuchtung diente ihnen Wal- und Robbentran. Wenig Holz zum Bau von Booten? Wiederum kein Problem für die Inuit: Sie bauten Kajaks aus Fellen, die über ein Gerüst gespannt waren, und ihre als umiaqs bezeichneten Boote waren so groß, dass sie sich damit zum Walfang in ungeschützte Gewässer begeben konnten.
Obwohl ich gelesen hatte, was für hervorragende Wasserfahrzeuge die Kajaks der Inuit waren, und obwohl ich selbst mit modernen Freizeitkajaks gefahren war, die aus Kunststoff bestehen und heute in den Industrieländern allgemein verfügbar sind, war ich höchst erstaunt, als ich in Grönland zum ersten Mal ein traditionelles Inuitkajak zu Gesicht bekam. Es wirkte auf mich wie die Miniaturausgabe der langen, schmalen, schnellen Kriegsschiffe der USS-Iowa- Klasse, die bei der amerikanischen Marine während des Zweiten Weltkrieges im Einsatz waren und auf deren Deck jeder verfügbare Platz mit Kanonen, Luftabwehrgeschützen und anderen Waffen besetzt war. Mit einer Länge von knapp sechs Metern war das schlanke Kajak im Vergleich zu einem Kriegsschiff winzig, aber dennoch viel länger, als ich es mir vorgestellt hatte, und sein Deck war ebenfalls mit Waffen angefüllt: ein Harpunenschaft mit einer Speerwerfer-Verlängerung am Griffende; ein getrennter, etwa 15 Zentimeter langer Harpunenkopf, den man mit einem Knebel an dem Schaft befestigen konnte; ein Wurfpfeil für die Jagd auf Vögel, der an seiner Spitze nicht nur eine Pfeilspitze trug, sondern weiter hinten an seinem Schaft auch mit drei nach vorn gerichteten, spitzen Haken ausgestattet war, für den Fall, dass die Spitze den Vogel knapp verfehlte; mehrere Schwimmer aus Robbenhaut, die man an harpunierten Walen oder Robben befestigen konnte; und eine Lanze, um dem harpunierten Tier den Gnadenstoß zu versetzen. Im Gegensatz zu einem Kriegsschiff oder irgendeinem anderen mir bekannten Wasserfahrzeug war das Kajak individuell auf Größe, Gewicht und Armkraft seines Paddlers zugeschnitten. Sein Eigentümer trug es fast wie ein Kleidungsstück: Der Sitz war ein genähtes Stück Stoff, das mit dem Anorak des Fahrers verbunden wurde und einen wasserdichten Verschluss bildete, sodass er von dem
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