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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Bild der Europäer war die Dominikanische Republik eine Spanisch sprechende, teilweise europäische Gesellschaft, die den Einwanderern und dem Handel aus der Alten Welt offen gegenüberstand, Haiti dagegen galt als Kreolisch sprechende afrikanische Gesellschaft aus ehemaligen Sklaven, die Ausländern gegenüber feindlich eingestellt waren. Mit Kapitalinvestitionen aus Europa und später aus den Vereinigten Staaten entwickelte sich in der Dominikanischen Republik eine marktwirtschaftlich orientierte Exportwirtschaft, während dies in Haiti viel weniger geschah. Die Wirtschaft der Dominikanischen Republik gründete sich auf Kakao, Tabak, Kaffee und (seit den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts) Zuckerplantagen, die (Ironie der Geschichte) früher nicht für die Dominikanische Republik, sondern für Haiti charakteristisch gewesen waren. In beiden Teilen der Insel herrschten weiterhin instabile politische Verhältnisse. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm ein Präsident der Dominikanischen Republik von europäischen Kreditgebern hohe Darlehen auf, die er nicht zurückzahlte; daraufhin entsandten Frankreich, Italien, Belgien und Deutschland mehrere Kriegsschiffe und bedrohten das Land mit der Besetzung, um ihre Außenstände einzutreiben. Um die Gefahr einer europäischen Besetzung abzuwenden, übernahmen die Vereinigten Staaten die Zollbehörden der Dominikanischen Republik, die dort die einzige Quelle staatlicher Einnahmen waren, und lenkten die Hälfte der Erlöse in die Bezahlung der Auslandsschulden. Während des Ersten Weltkriegs war man in den Vereinigten Staaten besorgt, politische Unruhen in der Karibik könnten eine Gefahr für den Panamakanal darstellen, weshalb die USA beiden Teilen der Insel eine militärische Besetzung aufzwangen, die in Haiti von 1915 bis 1934 und in der Dominikanischen Republik von 1916 bis 1924 dauerte. Danach stellten sich in beiden Teilen der Insel sehr schnell die frühere politische Instabilität und die Konflikte zwischen konkurrierenden Präsidentschaftskandidaten wieder ein.
    Beendet wurde die Instabilität - und zwar in der Dominikanischen Republik wesentlich früher als in Haiti - durch die beiden bösartigsten Diktatoren in der langen Geschichte bösartiger Diktatoren in Lateinamerika. Rafael Trujillo war in der Dominikanischen Republik der Chef der Nationalpolizei und führte dann die Armee, die von der US-Militärregierung eingerichtet und ausgebildet worden war. Diese Position nutzte er, um sich 1930 zum Präsidenten wählen zu lassen und zum Diktator zu werden; später blieb er an der Macht, weil er hart arbeitete, ein überlegener Verwaltungsfachmann war, gute Menschenkenntnis und politisches Geschick besaß und völlig rücksichtslos war -aber auch weil er den Anschein erweckte, als handelte er im Interesse großer Teile der Gesellschaft seines Landes. Potenzielle Gegner ließ er foltern oder ermorden, und er errichtete einen umfassenden Polizeistaat.
    In dem Bestreben, die Dominikanische Republik zu modernisieren, entwickelte Trujillo gleichzeitig die Wirtschaft, Infrastruktur und Industrie weiter, wobei er das Land mehr oder weniger wie sein Privatunternehmen führte. Am Ende besaßen oder kontrollierten er und seine Familie fast die gesamte Wirtschaft des Landes. Insbesondere hatte Trujillo selbst oder über Verwandte und Verbündete das nationale Monopol für Rindfleischexport, Zement, Schokolade, Zigaretten, Kaffee, Versicherungen, Milch, Reis, Salz, Schlachthöfe, Tabak und Holz. Er besaß oder kontrollierte die Forstverwaltung und die Zuckerproduktion, war aber auch Eigentümer von Fluggesellschaften, Banken, Hotels, großem Grundbesitz und Reedereien. Ebenso zog er persönlich einen Teil der Einkünfte von Prostituierten und zehn Prozent der Gehälter aller staatlichen Angestellten persönlich ein. Unermüdlich machte er für sich selbst Reklame: Die Hauptstadt wurde von Santo Domingo in Ciudad Trujillo umbenannt, der höchste Berg des Landes hieß nicht mehr Pico Duarte, sondern Pico Trujillo, Schulen impften den Kindern die Dankbarkeit gegenüber dem Präsidenten ein, und an jeder öffentlichen Wasserzapfstelle verkündete ein Dankeszeichen »Trujillo gibt uns Wasser«. Um die Gefahr eines Aufstandes oder einer Invasion abzuwenden, wandte Trujillos Regierung die Hälfte des Staatshaushaltes für eine gewaltige Armee, Marine und Luftwaffe auf; es waren die größten Streitkräfte in der gesamten Karibikregion, größer sogar als die von Mexiko.
    In den

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