Kollaps
schon Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend abgeholzt waren.
Als zweiter gesellschaftlichpolitischer Faktor kam hinzu, dass die Dominikanische Republik mit ihrer Spanisch sprechenden Bevölkerung vorwiegend europäischer Abstammung für europäische Einwanderer und Investoren wesentlich aufgeschlossener und attraktiver war als Haiti, dessen Einwohner Kreolisch sprachen und überwiegend von früheren farbigen Sklaven abstammten. Deshalb fanden Einwanderer und Investitionen aus Europa kaum nach Haiti, und nach 1804 wurden sie in Haiti sogar durch die Verfassung verboten, während sie in der Dominikanischen Republik eine große Bedeutung erlangten. Dort wanderten zahlreiche Geschäftsleute und andere Angehörige qualifizierter Berufe ein, die zur Entwicklung des Landes beitrugen. Die Bevölkerung der Dominikanischen Republik entschied sich sogar freiwillig dafür, von 1812 bis 1821 wieder den Status einer spanischen Kolonie anzunehmen, und der Präsident entschied sich freiwillig, sein Land von 1861 bis 1865 zu einem spanischen Protektorat zu machen.
Ein weiterer wirtschaftlich bedeutsamer sozialer Unterschied war die Tatsache, dass die meisten Bewohner Haitis als Folge der Geschichte ihres Landes mit ihren Sklavenaufständen eigenes Land besaßen, sich in der Regel selbst ernährten und von der Regierung nicht dabei unterstützt wurden, Lebensmittel für den Export in europäische Länder anzubauen. In der Dominikanischen Republik dagegen entwickelten sich Exportwirtschaft und Überseehandel. Die Oberschicht Haitis identifizierte sich stärker mit Frankreich als mit ihrem eigenen Land, verschaffte sich keinen Grundbesitz, entwickelte keine kommerzielle Landwirtschaft und war vor allem bestrebt, ihren Reichtum durch die Abgaben der Bauern zu sichern.
In jüngerer Zeit lag eine Ursache der Auseinanderentwicklung auch in den unterschiedlichen Bestrebungen der beiden Diktatoren: Trujillo wollte (zu seinem eigenen Nutzen) eine industriell geprägte Wirtschaft und einen modernen Staat aufbauen, Duvalier tat dies nicht. Darin kann man nur einen individuellen Charakterunterschied zwischen den beiden Diktatoren sehen, möglicherweise ist es aber auch ein Spiegelbild der beiden unterschiedlichen Gesellschaften.
Und schließlich nahmen Haitis Probleme mit Waldzerstörung und Armut im Vergleich zur Dominikanischen Republik während der letzten 40 Jahre noch erheblich zu. Da die Dominikanische Republik noch einen großen Teil ihrer Wälder besaß und mit der Industrialisierung begann, hatte bereits das Trujillo-Regime den Bau von Staudämmen zur Elektrizitätserzeugung mit Wasserkraft geplant, die dann unter Balaguer und späteren Regierungen verwirklicht wurden. Balaguer sorgte mit einem Schnellprogramm dafür, dass die Wälder nicht mehr zur Brennstoffgewinnung genutzt wurden, und importierte stattdessen Propan- sowie Flüssiggas. Die verarmten Bewohner Haitis dagegen waren weiterhin auf Holzkohle angewiesen und beschleunigten damit die Zerstörung der letzten verbliebenen Wälder.
Es gab also viele Gründe dafür, dass die Waldzerstörung und andere ökologische Probleme in Haiti früher begannen, sich über längere Zeit hinweg entwickelten und schlimmer wurden als in der Dominikanischen Republik. Beteiligt waren vier der fünf Faktoren, die den theoretischen Rahmen dieses Buches bilden: Unterschiede in der Umweltschädigung durch die Menschen, in den freundlichen oder weniger freundlichen Kontakten zu anderen Staaten und in den Reaktionen der Gesellschaft und ihrer Führungsgestalten. Unter allen in diesem Buch beschriebenen Fallstudien machen der in diesem Kapitel beschriebene Gegensatz zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik sowie das unterschiedliche Schicksal von Wikingern und Inuit in Grönland (Kapitel 8) am besten deutlich, dass eine Gesellschaft ihr Schicksal selbst in der Hand hat und in beträchtlichem Umfang die Folgen ihrer eigenen Entscheidungen tragen muss.
Welche ökologischen Probleme bestehen in der Dominikanischen Republik, und welche Gegenmaßnahmen wurden dort ergriffen? Ich möchte noch einmal die gleiche Terminologie verwenden wie in Kapitel 9: Umweltschutzmaßnahmen begannen in der Dominikanischen Republik von unten nach oben, nach 1930 wurden sie von oben nach unten verordnet, und heute beobachtet man eine Mischung beider Formen. Die Nutzung der wertvollen Bäume nahm in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu, was bereits damals dazu führte, dass kostbare Baumarten in
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