Kollaps
trug ein Viertel zum Wohlstand des französischen Mutterlandes bei.
Im Jahr 1795 trat Spanien den mittlerweile wertlosen östlichen Teil der Insel an Frankreich ab, sodass Hispaniola für kurze Zeit unter dieser Kolonialmacht vereinigt war. Als 1791 und 1801 in Französisch-Saint-Domingue ein Sklavenaufstand ausgebrochen war, schickte Frankreich eine Armee, die aber von den Sklaven besiegt wurde und außerdem durch Krankheiten schwere Verluste hinnehmen musste. Nachdem Frankreich 1804 seine nordamerikanischen Besitzungen mit dem Verkauf von Louisiana an die Vereinigten Staaten veräußert hatte, gaben die Franzosen auch Hispaniola auf und verließen die Insel. Wie vielleicht nicht anders zu erwarten, töteten dort die früheren Sklaven, die ihr Land jetzt als Haiti bezeichneten (der ursprüngliche Name der Insel in der Sprache der Taino-Indianer) viele Weiße, zerstörten die Plantagen und Infrastruktur, damit das System der Sklaverei nicht wieder aufgebaut werden konnte, und teilten den Grundbesitz in kleine Familienbauernhöfe auf. Damit waren die individuellen Bestrebungen der früheren Sklaven in Erfüllung gegangen, die Veränderungen erwiesen sich auf lange Sicht aber als katastrophal für die landwirtschaftliche Produktivität, die Exporte und die Wirtschaft des Landes. Spätere Regierungen unterstützten die Bauern kaum in ihren Bemühungen, ihre Produktion zu Geld zu machen. Die weiße Bevölkerung Haitis war zu einem großen Teil ermordet worden, und der Rest war geflohen, sodass die Insel auch wichtige Arbeitskräfte verloren hatte.
Als Haiti 1804 unabhängig wurde, war es dennoch der wohlhabendere, stärkere und bevölkerungsreichere Teil der Insel. Im Jahr 1805 drangen die Haitianer zwei Mal in den östlichen (früher spanischen) Teil der Insel vor, der damals Santo Domingo hieß. Vier Jahre später erhielten die spanischen Siedler auf eigenen Wunsch erneut den Status einer spanischen Kolonie, die aber unzureichend und mit so geringem Interesse verwaltet wurde, dass die Siedler 1821 ihre Unabhängigkeit erklärten. Sofort wurden sie wieder von den Haitianern annektiert, und dieser Zustand blieb bestehen, bis die Besatzer 1844 vertrieben wurden. Danach versuchte Haiti bis in die fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts immer wieder, den Osten durch Invasionen zu erobern.
Schon 1850 hatte Haiti im Westen eine geringere Fläche als der östliche Nachbar, aber die Einwohnerzahl war größer, die Kleinbauernwirtschaft konnte kaum etwas exportieren, und die Bevölkerung bestand in ihrer Mehrheit aus Farbigen afrikanischer Abstammung sowie einer Minderheit von Mulatten (Menschen mit gemischter Abstammung). Die Oberschicht der Mulatten sprach zwar Französisch und identifizierte sich auch stark mit Frankreich, aber die Erfahrungen, die man in Haiti gemacht hatte, und die Angst vor der Sklaverei flossen in eine Verfassung ein, die es Ausländern verbot, Grund und Boden zu besitzen oder die Produktionsmittel durch Investitionen zu kontrollieren. Die große Mehrheit der Haitianer sprach Kreolisch, eine eigene Sprache, die sich in ihrem Land aus dem Französischen entwickelt hatte. Der östliche Inselteil war größer, hatte aber eine kleinere Bevölkerung; hier, wo Rinder nach wie vor die Grundlage der Wirtschaft bildeten, waren Einwanderer willkommen, man bot ihnen die Staatsbürgerschaft an, und die Umgangssprache war Spanisch. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wanderten zahlenmäßig kleine, aber wirtschaftlich bedeutsame Gruppen in die Dominikanische Republik ein: Juden aus Cura^ao, Bewohner der Kanarischen Inseln, Libanesen, Palästinenser, Kubaner, Puerto-Ricaner, Deutsche und Italiener; nach 1930 kamen noch österreichische Juden, Japaner und weitere Spanier hinzu. In einem politischen Aspekt jedoch waren sich Haiti und die Dominikanische Republik sehr ähnlich: Beide waren politisch instabil. Putsche folgten in kurzen Abständen aufeinander, und die Macht wechselte zwischen Lokalgrößen mit eigenen Privatarmeen. Von den 22 Präsidenten, die Haiti zwischen 1843 und 1915 hatte, wurden 21 ermordet oder gewaltsam gestürzt; in der Dominikanischen Republik wechselte der Präsident zwischen 1844 und 1930 insgesamt fünfzigmal, darunter dreißigmal durch eine Revolution. In beiden Teilen der Insel waren die Präsidenten vor allem bestrebt, sich selbst und ihre Anhänger zu bereichern.
Andere Mächte betrachteten und behandelten Haiti und die Dominikanische Republik unterschiedlich. Nach dem übermäßig vereinfachten
Weitere Kostenlose Bücher