Kollaps
Führungsgestalten.
In diesem Kapitel werden wir zunächst die unterschiedliche politische und wirtschaftliche Vergangenheit nachzeichnen, die zu den heutigen Unterschieden zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti beigetragen hat, und wir werden die Ursachen dieser unterschiedlichen Verläufe erörtern. Dann werde ich beschreiben, wie sich in der Dominikanischen Republik eine Umweltpolitik entwickelte, die eine Mischung aus Initiativen von unten nach oben und von oben nach unten darstellt. Am Ende des Kapitels untersuchen wir den derzeitigen Stand der Umweltprobleme, Zukunft und Hoffnungen der beiden Inselhälften und ihre Wirkung aufeinander sowie auf die übrige Welt.
Als Christoph Kolumbus 1492 bei seiner ersten Atlantiküberquerung nach Hispaniola kam, war die Insel bereits seit etwa 5000 Jahren von amerikanischen Ureinwohnern besiedelt. Zu Kolumbus’ Zeit handelte es sich dabei um die Tainos, eine Gruppe von Arawak-Indianern, die von der Landwirtschaft lebten, unter fünf Häuptlingen organisiert waren und eine Bevölkerung von etwa einer halben Million Menschen bildeten (die Schätzungen reichen von 100 000 bis 2 Millionen). Kolumbus erlebte sie anfangs als friedliche, freundliche Menschen, bis er und seine Spanier anfingen, sie schlecht zu behandeln.
Die Tainos hatten das Pech, Gold zu besitzen, das die Spanier sich aneignen wollten, ohne selbst in den Minen zu arbeiten. Deshalb teilten mehrere Spanier die Insel und ihre indianische Bevölkerung unter sich auf; die Ureinwohner wurden praktisch als Sklaven gehalten, unabsichtlich mit eurasischen Krankheiten angesteckt und ermordet. Schon 1519, 27 Jahre nachdem Kolumbus gelandet war, war die ursprüngliche Bevölkerung von einer halben Million Menschen auf 11 000 geschrumpft, und von diesen starben die meisten im folgenden Jahr an Pocken, sodass die Bevölkerung schließlich nur noch aus 3000 Menschen bestand. Diese Überlebenden starben allmählich aus oder wurden in den folgenden Jahrzehnten assimiliert. Nun waren die Spanier gezwungen, sich anderswo nach Sklaven umzusehen.
Um 1520 entdeckten sie, dass Hispaniola sich für den Zuckeranbau eignete, und daraufhin importierten sie Sklaven aus Afrika. Mit ihren Zuckerplantagen war die Insel fast während des gesamten 16. Jahrhunderts eine reiche Kolonie. Aber das Interesse der Spanier richtete sich zunehmend auf andere Gebiete, und zwar aus mehreren Gründen: Man hatte insbesondere in Mexiko, Peru und Bolivien die weitaus stärker bevölkerten, reicheren Gesellschaften des amerikanischen Festlandes entdeckt, sodass man nun eine viel größere Indianerbevölkerung ausbeuten, politisch weiter entwickelte Gesellschaften übernehmen und in Bolivien reichhaltige Silberminen nutzen konnte. Deshalb investierte Spanien nun kaum noch Mittel in Hispaniola, zumal der Kauf- und Transport der Sklaven aus Afrika teuer war, während man sich amerikanische Ureinwohner beschaffen konnte, indem man einfach ihre Länder eroberte. Außerdem wurde die Karibik von englischen, französischen und niederländischen Piraten überschwemmt, die auf Hispaniola und anderen Inseln die spanischen Siedlungen angriffen. Spanien selbst erlebte einen langsamen politischen und wirtschaftlichen Niedergang, was den Briten, Franzosen und Niederländern zugute kam.
Mit den französischen Piraten kamen auch französische Kaufleute und Abenteurer, die am Westende Hispaniolas, weit weg von dem östlichen Teil, wo die meisten Spanier lebten, eine Siedlung errichteten. Frankreich, das jetzt viel wohlhabender und politisch mächtiger war als Spanien, investierte in großem Umfang in den Import von Sklaven und in den Aufbau von Plantagen im Westteil der Insel. Die Spanier konnten sich ähnliche Investitionen nicht leisten, sodass die Geschichte der beiden Inselteile sich allmählich auseinander entwickelte. Im 18. Jahrhundert hatte die spanische Kolonie nur eine kleine Bevölkerung, wenige Sklaven und eine schwache Wirtschaft, die sich vor allem auf die Zucht von Rindern und den Verkauf ihrer Häute stützte; die französische Kolonie war wesentlich bevölkerungsreicher, besaß mehr Sklaven (1785 waren es 700 000, im Vergleich zu nur 30 000 im spanischen Teil), im Verhältnis viel weniger Einwohner, die keine Sklaven waren (nur 10 Prozent im Vergleich zu 85 Prozent), und eine Wirtschaft, deren Grundlage die Zuckerplantagen waren. Französisch-Saint-Domingue, wie es jetzt genannt wurde, war die reichste europäische Kolonie in der Neuen Welt und
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