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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Landschaft in der Dominikanischen Republik verschönern wollen, um einen Kontrast zu den Zerstörungen im Nachbarland zu schaffen; ein Dritter glaubte, er sei durch seine Schwestern beeinflusst worden, denen er sehr nahe stand und die angeblich entsetzt waren, weil die Waldzerstörung und die Versandung der Flüsse in der Trujillo-Zeit so weit fortgeschritten waren; und ein Dritter wies daraufhin, Balaguer sei bereits 60 Jahre alt gewesen, als er nach Trujillo zum Präsidenten wurde, und erst mit 90 Jahren abgetreten - sein Motiv seien also möglicherweise die Veränderungen gewesen, die er während seines langen Lebens in dem Land um sich herum miterlebt hatte.
    Inwieweit solche Antworten zutreffen, weiß ich nicht. Dass wir Balaguer so schwer verstehen, mag unter anderem an unseren eigenen unrealistischen Erwartungen liegen. Unbewusst rechnen wir vielleicht damit, dass ein Mensch entweder nur »gut« oder nur »schlecht« ist, als gäbe es eine einzige Qualität der Tugend, die in allen Verhaltensaspekten sichtbar wird. Wenn wir jemanden in einer Hinsicht für anständig oder bewundernswert halten, sind wir beunruhigt, wenn dies in einem anderen Aspekt nicht der Fall ist. Wir mögen nicht anerkennen, dass ein Mensch kein einheitliches Gebilde ist, sondern ein Mosaik aus Merkmalen, die aus den unterschiedlichsten Erfahrungen erwachsen und häufig untereinander in keiner Beziehung stehen.
    Auch etwas anderes könnte uns beunruhigen: Wenn wir wirklich anerkennen, dass Balaguer ein Umweltschützer war, könnten seine negativen Eigenschaften zu Unrecht das Ansehen des Umweltschutzes besudeln. Aber ein Bekannter sagte einmal zu mir: »Adolf Hitler liebte Hunde und putzte sich die Zähne, aber das heißt nicht, dass wir Hunde hassen und uns die Zähne nicht mehr putzen sollen.« Mir fällt in diesem Zusammenhang auch ein, welche Erfahrungen ich machte, als ich von 1979 bis 1996 unter der Militärdiktatur in Indonesien arbeitete. Ich hasste und fürchtete das Regime wegen seiner Politik und auch aus persönlichen Gründen - insbesondere wegen der Dinge, die es meinen Freunden in Neuguinea angetan hatte, und weil seine Soldaten mich fast umgebracht hätten. Deshalb war ich überrascht, als ich feststellte, dass dieses Regime in Indonesisch-Neuguinea ein umfassendes, leistungsfähiges Netz von Nationalparks eingerichtet hatte. Ich kam in das Land, nachdem ich ein Jahr lang die Demokratie von Papua-Neuguinea erlebt hatte, und nun glaubte ich, ich hätte unter der tugendhaften Demokratie doch sicher eine viel weiter entwickelte Umweltschutzpolitik beobachtet als unter der bösen Diktatur. Aber ich musste anerkennen, dass es in Wirklichkeit genau umgekehrt war.
    Von den Bürgern der Dominikanischen Republik, die ich befragte, behauptete kein Einziger, er könne Balaguer verstehen. Ein Gesprächspartner wandte auf Balaguer die Formulierung an, mit der Winston Churchill die Sowjetunion beschrieben hatte: »ein Rätsel, eingehüllt in ein Geheimnis im Inneren eines Mysteriums«. Die Bemühungen, Balaguer zu verstehen, erinnern mich wieder einmal daran, dass Geschichte wie das ganze Leben kompliziert ist; weder das Leben noch die Geschichte ist ein Unternehmen für jene, die sich nach Einfachheit und Einheitlichkeit sehnen.

Vor dem Hintergrund dieser ökologischen Vergangenheit können wir nun die Frage stellen: Wie sieht es heute in der Dominikanischen Republik mit Umweltproblemen aus, und in welchem Zustand sind die Naturschutzgebiete des Landes? Die wichtigsten Themen lassen sich in acht der 12 Kategorien von Umweltproblemen einordnen, die ich in Kapitel 16 zusammenfassen werde: Es sind Probleme im Zusammenhang mit Wäldern, Ressourcen aus dem Meer, Boden, Wasser, Giftmüll, eingeschleppten biologischen Arten, Bevölkerungswachstum und den Auswirkungen der Bevölkerung.
    Die Zerstörung der Kiefernwälder nahm an einzelnen Stellen schon unter Trujillo große Ausmaße an und verstärkte sich in den fünf Jahren unmittelbar nach seiner Ermordung. Balaguers Abholzungsverbot wurde in jüngster Zeit unter anderen Präsidenten gelockert. Durch die Abwanderung der Bewohner aus ländlichen Gebieten in die Städte und ins Ausland hat sich die Belastung der Wälder vermindert, aber die Waldzerstörung setzt sich insbesondere entlang der Grenze nach Haiti fort, wo verzweifelte Menschen aus ihrem fast völlig entwaldeten Land in die Dominikanische Republik kommen, um dort Holz zur Herstellung von Holzkohle zu holen oder sich als

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