Kollaps
schnell wachsende Kleinproduktion in ländlichen Gebieten: Die dort ansässigen dörflichen Unternehmen haben im Durchschnitt jeweils nur sechs Angestellte und beschäftigen sich insbesondere mit dem Bau von Häusern sowie mit der Herstellung von Papier, Pestiziden und Düngemitteln. Sie sind für ein Drittel der chinesischen Produktion und für die Hälfte der Exporte verantwortlich, tragen aber unverhältnismäßig stark zur Umweltverschmutzung durch Schwefeldioxid, Abwässer und feste Abfälle bei. Deshalb rief die Regierung 1995 den Notstand aus und verbot die 15 schlimmsten Formen solcher dörflichen Kleinbetriebe.
In der ökologischen Vergangenheit Chinas gab es mehrere Phasen. Schon vor einigen Jahrtausenden wurden Wälder in großem Umfang abgeholzt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und des chinesischen Bürgerkrieges kehrte 1949 nicht nur der Frieden zurück, sondern auch weitere Waldzerstörung, Überweidung und Bodenerosion. In den Jahren des »Großen Sprunges Vorwärts« von 1958 bis 1965 kam es zu einer chaotischen Zunahme der Zahl von Fabriken (die sich allein in den zwei Jahren von 1957 bis 1959 vervierfachte!) mit zusätzlicher Waldzerstörung (zur Beschaffung des Brennholzes für die ineffiziente HinterhofStahlproduktion) und Umweltverschmutzung als Begleiterscheinungen. Während der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 griff die Zerstörung der Umwelt zunehmend um sich, weil man in dieser Zeit zahlreiche Fabriken aus den Küstenregionen, die dort im Kriegsfall als zu verwundbar galten, in tiefe Täler und auf hohe Berge verlegte. Seit dem Beginn der Wirtschaftsreformen 1978 hat sich die Umweltzerstörung weiter verstärkt und beschleunigt. Heute lassen sich die ökologischen Probleme des Landes unter sechs großen Überschriften zusammenfassen: Luft, Wasser, Boden, Lebensraumzerstörung, Verlust von Artenvielfalt und Großprojekte.
Betrachten wir zunächst einmal Chinas besonders berüchtigtes Umweltproblem: Wie entsetzlich die Luftqualität ist, wird an den mittlerweile bekannten Fotos von Menschen deutlich, die auf den Straßen vieler chinesischer Städte nur noch mit Gesichtsmasken herumlaufen können. In manchen Großstädten herrscht die schlimmste Luftverschmutzung der ganzen Welt; die Schadstoffkonzentration ist um ein Mehrfaches höher als die Grenzwerte, die noch als gesundheitlich unbedenklich gelten. Umweltgifte wie Stickoxide, aber auch Kohlendioxid reichern sich durch die wachsende Zahl von Motorfahrzeugen und die kohlebasierte Energieerzeugung an. Der saure Regen, der sich noch in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf wenige Regionen im Südwesten und Süden beschränkte, hat sich mittlerweile über große Teile des Landes ausgebreitet und sucht ein Viertel der chinesischen Städte jedes Jahr an mehr als 50 Prozent der Regentage heim.
Ganz ähnlich verhält es sich auch mit der Wasserqualität der meisten chinesischen Flüsse und Grundwasserquellen: Sie ist schlecht und nimmt weiterhin ab. Ursachen sind Abwässer aus Industrie und Haushalten, aber auch ausgewaschene Düngemittel, Pestizide und Exkremente aus Landwirtschaft und Aquakultur, die in großem Umfang zur Eutrophierung führen. (Als Eutrophierung bezeichnet man übermäßiges Algenwachstum, dass durch die eingespülten Nährstoffe verursacht wird.) In China sind etwa 75 Prozent aller Seen und nahezu alle Küstengewässer verschmutzt. Die Zahl der »roten Fluten« in chinesischen Meeren - Wasser, verseucht von den Blüten des Planktons, deren Ausscheidungen für Fische und andere Meerestiere giftig sind - ist von einer alle fünf Jahre in den sechziger Jahren auf nahezu 100 pro Jahr gewachsen. Das Wasser aus dem berühmten Guanting-Stausee in Peking wurde 1997 für nicht mehr trinkbar erklärt. Nur 20 Prozent der Haushaltsabwässer werden aufbereitet, in den Industrieländern sind es 80 Prozent.
Verschärft werden solche Wasserprobleme durch Knappheit und Verschwendung. Im internationalen Vergleich besitzt China wenig Süßwasser - die Menge pro Kopf liegt nur bei einem Viertel des weltweiten Durchschnittswertes. Und was noch schlimmer ist: Selbst dieses wenige Wasser ist ungleichmäßig verteilt - in Nordchina steht pro Kopf nur ein Fünftel der Wassermenge zur Verfügung, die im Süden des Landes vorhanden ist. Wegen der allgemeinen Wasserknappheit und verschwenderischer Verwendung leiden über 100 Städte an schwerem Wassermangel, der manchmal sogar die Industrieproduktion ins Stocken bringt. Das Wasser für
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