Kollaps
Städte und Bewässerung ist zu zwei Dritteln Grundwasser, das aus wasserführenden Schichten heraufgepumpt wird. Diese Vorkommen sind aber zunehmend erschöpft, sodass in den meisten küstennahen Gebieten Meerwasser eindringt, und unter manchen Städten sinkt sogar der Boden ab. Außerdem hat China stärker als jedes andere Land der Welt das Problem, dass Flüsse austrocknen, und zwar umso stärker, je mehr Wasser aus den natürlichen Fließgewässern zu verschiedenen Zwecken abgeleitet wird. Zwischen 1972 und 1997 beispielsweise hörte der Gelbe Fluss (der zweitgrößte Fluss Chinas) in 20 der 25 Jahre im Unterlauf auf zu fließen, und die Dauer der Austrocknung verlängerte sich von 10 Tagen im Jahr 1988 auf erstaunliche 230 Tage im Jahr 1997. Selbst am Jangtse und am Perlenfluss im feuchteren Südchina kommt es in der Trockenzeit zu Unterbrechungen, die die Schifffahrt behindern.
Was die Probleme mit dem Boden angeht, so gehört China weltweit zu den Ländern mit der stärksten Bodenerosion: Betroffen sind mittlerweile 19 Prozent der Landflächen, und sie hat zur Folge, dass jedes Jahr fünf Milliarden Tonnen Boden verloren gehen. Besonders verheerende Auswirkungen hat sie auf der Löss-Hochebene am mittleren Abschnitt des Gelben Flusses, die mittlerweile zu rund 70 Prozent erodiert ist, und zunehmend auch am Jangtse, dessen erosionsbedingte Sedimentablagerungen stärker sind als die Ablagerungen an Nil und Amazonas, den beiden längsten Flüssen der Welt, zusammen. Da auf diese Weise die Flüsse des Landes (aber auch Stauseen und Seen) aufgefüllt werden, sind die schiffbaren Flussstrecken bereits um 50 Prozent kürzer geworden, und sie können nur noch von Schiffen begrenzter Größe befahren werden. Abgenommen hat nicht nur die Menge des Bodens, sondern auch seine Qualität und Fruchtbarkeit; dies liegt unter anderem daran, dass der langfristige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden zu einer drastisch verringerten Menge von Regenwürmern geführt hat, die den Boden erneuern. Deshalb sind die landwirtschaftlichen Flächen, die als qualitativ hochwertig gelten, um 50 Prozent geschrumpft. Von der Versalzung, deren Ursachen im nächsten Kapitel (Kapitel 13) im Zusammenhang mit Australien genauer erörtert werden, sind neun Prozent der Fläche Chinas betroffen, was vorwiegend auf die schlechte Konstruktion und Bewirtschaftung der Bewässerungssysteme in Trockengebieten zurückzuführen ist. (Bei der Bekämpfung dieses Umweltproblems haben staatliche Maßnahmen mittlerweile zu guten Fortschritten geführt.) Von der Wüstenbildung durch Überweidung und Landgewinnung für die Landwirtschaft ist mittlerweile mehr als ein Viertel Chinas betroffen; in Nordchina wurden allein in den letzten zehn Jahren rund 15 Prozent der verbliebenen Acker- und Weideflächen auf diese Weise zerstört.
Zu allen eben genannten Bodenproblemen kamen die Verstädterung und der Landverbrauch für Bergbau, Forstwirtschaft und Aquakultur noch hinzu, und alle tragen dazu bei, dass die landwirtschaftlichen Flächen in China schrumpfen. Dies stellt für die Lebensmittelversorgung des Landes ein großes Problem dar, denn während die landwirtschaftlichen Nutzflächen abnehmen, steigen sowohl die Bevölkerung als auch der Pro-Kopf-Lebensmittelverbrauch, und die potenziell nutzbaren Flächen sind begrenzt. Heute steht pro Person nur ein Hektar Ackerland zur Verfügung, knapp die Hälfte des weltweiten Durchschnitts und fast ebenso wenig, wie es in Kapitel 10 im Zusammenhang mit dem Nordwesten Ruandas erörtert wurde. Da China außerdem sehr wenig Abfall-Recycling betreibt, sammeln sich riesige Mengen von Industrie- und Hausmüll auf offenen Flächen, wo sie den Boden vergiften und Ackerland blockieren oder schädigen. Über zwei Drittel aller chinesischen Städte sind heute von Müllbergen umgeben, deren Zusammensetzung sich tiefgreifend gewandelt hat: Waren es früher Gemüsereste, Staub und Kohleabfälle, so sind es heute Kunststoffe, Glas, Metall und Verpackungspapier. Die Vorstellung meiner Bekannten aus der Dominikanischen Republik, die für ihr Land eine im Müll versinkende Welt vorhersagen (Kapitel 11), trifft in hohem Maße auch für die zukünftige Entwicklung Chinas zu.
Wenn man von der Lebensraumzerstörung in China spricht, muss man mit der Waldzerstörung anfangen. China ist eines der waldärmsten Länder der Welt: Die Waldfläche beträgt nur rund 1200 Quadratmeter pro Kopf, während der weltweite Durchschnitt bei knapp 6500
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