Kollaps
Mehrwert verarbeitet, die Australien dann wiederum importiert. Mit derart unausgewogenen Handelsbeziehungen rechnet man nicht, wenn es um zwei Industrieländer geht, sondern wenn ein rückständiges, nicht industrialisiertes Drittweltland ohne entsprechende Verhandlungserfahrung an ein Industrieland gerät, das darin geübt ist, Drittweltländer auszubeuten: Dieses kauft dann die Rohstoffe billig ein, verarbeitet das Material im eigenen Land zu hochwertigen Produkten und exportiert sie zu hohen Preisen in die Dritte Welt. (Die wichtigsten Waren, die von Japan nach Australien exportiert werden, sind Autos, Telekommunikationsanlagen und Computer; in der Gegenrichtung fließen neben dem Holz vor allem Kohle und Bodenschätze.) Offensichtlich verschleudert Australien also eine wertvolle Ressource und erhält dafür relativ wenig Geld.
Die fortgesetzte Holzgewinnung in den alten Wäldern ist in Australien heute der Anlass für eine besonders leidenschaftliche Umweltschutzdebatte. Abgeholzt wird vor allem im Bundesstaat Tasmanien, und dort finden auch die hitzigsten Diskussionen statt. Die Tasmanischen Blaugummibäume, die mit bis zu 100 Metern zu den größten Bäumen außerhalb Kaliforniens gehören, werden heute in größerem Umfang abgeholzt als je zuvor. Beide großen politischen Parteien des Landes befürworten sowohl auf Bundesstaats- als auch auf Bundesebene die weitere Holzgewinnung dort. Auf die Frage, warum das so ist, gibt es eine nahe liegende Antwort: Nachdem die National Party sich 1995 nachdrücklich für die Holzgewinnung in Tasmanien ausgesprochen hatte, wurde bekannt, dass die Partei ihre größten finanziellen Zuwendungen von drei Holzkonzernen erhielt.
Neben dem Abbau der alten Wälder hat man in Australien auch Plantagen mit einheimischen und ausländischen Baumarten angelegt. Aber aus den zuvor erwähnten Gründen - geringer Nährstoffgehalt des Bodens, geringe, unberechenbare Niederschläge und in der Folge ein geringes Wachstum der Bäume - ist diese Art der Forstwirtschaft weniger profitabel und mit höheren Kosten verbunden als in zwölf der 13 Staaten, die in dieser Hinsicht die Hauptkonkurrenten Australiens darstellen. Selbst die wertvollste noch vorhandene und kommerziell nutzbare Baumart, der Tasmanische Blaugummibaum, wächst in Ländern wie Brasilien, Chile, Portugal, Südafrika, Spanien und Vietnam, wo man ihn in Plantagen angepflanzt hat, schneller als in Tasmanien selbst.
Der Abbau der Fischgründe in den Meeren um Australien ähnelt dem der Wälder. Die ersten europäischen Siedler überschätzten das Potenzial des Landes für die Lebensmittelproduktion. Oder, um die Fachausdrücke der Ökologen zu benutzen: Das Land ernährte einen großen Pflanzenbestand, hatte aber eine geringe Produktivität. Das Gleiche gilt für den Ozean rund um den Kontinent: Auch seine Produktivität ist gering, denn sie hängt von den Nährstoffen ab, die von dem unproduktiven Land ins Meer gespült werden, und in den australischen Küstengewässern gibt es keine nährstoffreichen Meeresströmungen, die dem Humboldtstrom vor der Westküste Südamerikas vergleichbar wären. Die Bestände der Meerestiere vor Australien haben in der Regel geringe Wachstumsraten und werden deshalb schnell überfischt. In den letzten beiden Jahrzehnten boomte beispielsweise weltweit die Nachfrage nach dem Granatbarsch, einem Fisch, der in australischen und neuseeländischen Gewässern gefangen wird; er wurde zur Grundlage einer Fischereiwirtschaft, die kurzfristig hohe Gewinne abwarf. Leider stellte sich aber bei genaueren Untersuchungen heraus, dass Granatbarsche sehr langsam wachsen und sich erst im Alter von ungefähr 40 Jahren paaren; die Fische, die gegessen werden, sind häufig 100 Jahre alt. Deshalb können sich die Granatbarschbestände wahrscheinlich nicht schnell genug vermehren, um die gefangenen, ausgewachsenen Tiere zu ersetzen. Mittlerweile ist die betreffende Branche im Niedergang begriffen.
Die Überfischung der Bestände im Meer hat in Australien eine lange Geschichte: Man baut einen Bestand ab, bis er auf ein unwirtschaftlich geringes Niveau zurückgegangen ist, dann entdeckt man neue Fischgründe und wechselt zu diesen, bis sie ebenfalls in kurzer Zeit zusammenbrechen. Das Ganze ähnelt einem Goldrausch. Nachdem neue Fischgründe aufgetan wurden, unternehmen Meeresbiologen vielleicht eine wissenschaftliche Studie und stellen fest, welche Mengen nachhaltig entnommen werden können, aber bevor die Empfehlungen
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