Kollaps
im Verhältnis zur Gesamtzahl mehr Arten ausgestorben sind als auf jedem anderen Kontinent). In den meisten Fällen setzt sich die Schädigung auch heute noch fort, oder sie nimmt sogar noch zu wie im Fall der Holzgewinnung in den alten Wäldern Tasmaniens. Manche Zerstörungsprozesse kann man kurzfristig praktisch nicht zum Stillstand bringen, weil sie sich mit einer langen zeitlichen Verzögerung verbinden, wie beispielsweise die langsame, bergab gerichtete Strömung des bereits mobilisierten salzhaltigen Grundwassers, das sich noch auf Jahrhunderte hinaus weiter ausbreiten wird. Auch heute vertreten noch viele Australier kulturell bedingte Einstellungen die schon früher Schäden verursacht haben. Ein politisches Hindernis für eine Reform der Wasserbewirtschaftung ist beispielsweise der Markt für »Wasserkonzessionen«, das heißt für das Recht, Wasser zur Bewässerung zu nutzen. Die Inhaber dieser Konzessionen sind verständlicherweise überzeugt, sie seien tatsächlich die Eigentümer des Wassers, für dessen Gewinnung sie bezahlt haben; in Wirklichkeit kann niemand die Konzessionen in vollem Umfang nutzen, weil die Wassermenge, für die insgesamt Konzessionen vergeben wurden, viel größer ist als das tatsächlich verfügbare Volumen in einem durchschnittlichen Jahr.
Wer zum Pessimismus oder auch nur zu realistischem, nüchternem Denken neigt, fühlt sich angesichts dieser Tatsachen zu der Frage veranlasst, ob die Australier zu einem abnehmenden Lebensstandard in einer immer stärker zerstörten Umwelt verdammt sind. Ein solches Szenario ist für die Zukunft Australiens durchaus realistisch. Es ist viel wahrscheinlicher als ein Bevölkerungszusammenbruch nach Art der Osterinsel einschließlich eines politischen Zusammenbruches, wie ihn Weltuntergangspropheten voraussagen. Für die übrigen Industrieländer gilt dasselbe, nur mit dem Unterschied, dass es in Australien bereits zu einem früheren Zeitpunkt Wirklichkeit werden könnte.
Aber glücklicherweise gibt es auch Anlass zur Hoffnung. Die Einstellungen wandeln sich, bei den australischen Bauern findet ein Umdenken statt, es gibt Privatinitiativen, und die Regierung ergreift erste radikale Maßnahmen. Der Wandel im Denken macht ein Thema deutlich, das uns bereits im Zusammenhang mit Normannisch-Grönland (Kapitel 8) begegnet ist und auf das wir im nächsten Kapitel zurückkommen werden: die schwierige Frage, welche tief verwurzelten Wertvorstellungen einer Gesellschaft mit ihrem Überleben vereinbar sind und welche man aufgeben muss.
Ich war vor 40 Jahren zum ersten Mal in Australien. Wenn man damals zu einem Grundbesitzer sagte, er werde zukünftigen Generationen eine geschädigte Landschaft hinterlassen und die Schäden würden sich auch auf andere Menschen auswirken, erhielt man häufig zur Antwort: »Das ist mein Land, und damit kann ich, verdammt nochmal, alles machen, was ich, verdammt nochmal, will.« Solchen Einstellungen begegnet man zwar auch heute noch, aber sie sind mittlerweile seltener und werden in der Öffentlichkeit nicht mehr ohne weiteres hingenommen. Noch vor wenigen Jahrzehnten stieß die Regierung kaum auf Widerstand, wenn sie ihre umweltschädlichen Vorschriften (beispielsweise die Vorschrift, Land zu roden) erließ und umweltschädliche Planungen (beispielsweise die Staudämme am Murray River und das Ord River Scheme) durchsetzte. Heute meldet sich die Öffentlichkeit in Australien genau wie in Europa, Nordamerika und anderen Gebieten in Umweltfragen zunehmend zu Wort. Eine besonders starke Opposition richtet sich gegen die Rodung von Land, die Regulierung von Flüssen und die Holzgewinnung in alten Wäldern. Während ich diese Zeilen schreibe, hat die Haltung der australischen Öffentlichkeit gerade dazu geführt, dass die Regierung des Bundesstaates Südaustralien eine neue Steuer einführte (womit sie ein Wahlversprechen brach), um umgerechnet 250 Millionen Euro zur Beseitigung von Schäden am Murray River zu beschaffen; die Regierung des Staates Westaustralien schränkt die Abholzung alter Wälder immer stärker ein; in New South Wales einigten sich Regierung und Bauern auf einen rund 350 Millionen Euro teuren Plan, mit dem man die Ressourcenbewirtschaftung vereinheitlichen und die umfassende Rodung von Landflächen beenden will; und die Regierung von Queensland, des seit jeher konservativsten australischen Bundesstaates, gab ein Gemeinschaftsprojekt mit der Bundesregierung bekannt, das bis zum Jahr 2006 zur Beendigung der
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